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Geisterstadt

Geisterstadt

Titel: Geisterstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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für eine leichte Wolkendecke gegeben. Oder ein bisschen Speed. Oder beides.
    »Ich will ja jetzt wirklich nicht rumzicken, ehrlich, aber ich warte hier schon seit...«
    »Ich hab doch gesagt, es tut mir leid.« Verdammt, da sagte die Nervensäge zur Abwechslung sogar mal was Wahres. Chess war wirklich um zwölf mit Lauren verabredet gewesen, und dass sie jetzt genervt war, konnte sie ihr wirklich nicht verübeln. Hey, da konnte sie sich ja gleich zu den anderen stellen, oder? In die lange, lange Reihe der Leute, die Chess enttäuscht oder beschissen hatte oder sonst was.
    Wenn Lauren doch bloß mal aufhören würde, darauf rumzureiten.
    »Mein Vater sagt, die Ältesten loben dich in den höchsten Tönen, und gerade deswegen finde ich, du solltest wissen, dass ein solches Verhalten ...«
    »Ich weiß, Lauren. Es tut mir leid. Okay? Können wir jetzt mal von was anderem reden?«
    Zu Chess’ Überraschung hielt Lauren tatsächlich den Schnabel. Die Sonne funkelte so hell und gleißend auf ihren Haaren, dass es Chess selbst durch die Sonnenbrille in den Augen schmerzte. Sie hatte an zwei aufeinanderfolgenden Tagen daran gedacht, sie einzustecken, vermutlich ein absoluter Rekord.
    Lauren zuckte abschätzig die Schultern. »Na schön. Sei nächstes Mal bitte einfach pünktlich, ja? Hier zu warten ist einfach unerträglich. Es stinkt, es ist dreckig, und es ist laut. Wie kannst du hier nur leben? Wie schaffst du es, abends einzuschlafen?«
    Mit einem Sack voll Tabletten, so schlief Chess für gewöhnlich ein, aber das sagte sie natürlich nicht. Ebenso wenig, wie sie darauf hinwies, dass sie eigentlich gar nicht besonders nah e am Schlachthof wohnte und der Gestank und der Lärm also gar nicht so schlimm waren oder dass sie beides nur zu gern in
    Kauf nahm, wenn sie dafür leicht an die eben verschwiegenen Tabletten kam. Stattdessen zuckte sie bloß die Achseln. »Man gewöhnt sich dran.«
    »Bärks.« Lauren zupfte sich das Jackett zurecht und ging dann auf das Gebäude zu. »Ich fühl mich jetzt schon, als müsste ich dringend duschen, nur vom Warten.«
    »Warte erst mal ab, bis wir drinnen sind«, murmelte Chess, aber Lauren hörte sie nicht. Jedenfalls nahm Chess das an, immerhin drehte sie sich nicht um oder machte eine spitze Bemerkung.
    Vor ihnen ragte der Schlachthof auf, ein dunkelgrauer Steinklotz mit winzigen Fenstern und zerklüfteten Schornsteinen, die wie Raketensilos in den Himmel ragten. Der Tod hing über dem Gebäude wie eine Wolke. Jetzt, da Lauren endlich still war, drangen Tiergeräusche über den Parkplatz und wurden mit jedem Schritt lauter. Chess sah die Tiere genau vor sich, lange Reihen, die in einem verschlungenen Ganglabyrinth gefangen waren und Schritt für Schritt auf ein blutiges Ende zusteuerten.
    Ein Wachmann, sichtbar durch die gläsernen Flügel der Eingangstür, ließ sie mit einem Knopfdruck hinein und rief den Vorsteher der Anlage, nachdem sie erklärt hatten, warum sie gekommen waren.
    »Mr Carlyle kommt gleich«, sagte er und ließ sich wieder in seinen Stuhl fallen. »Normalerweise kümmert sich Mr Hunt um Leute wie Sie, aber der hat sich schon seit Wochen nicht mehr blicken lassen.«
    »Mr Hunt?«
    Der Wachmann nickte. »Der stellvertretende Leiter.«
    Chess warf Lauren einen Blick zu, die noch im gleichen Augenblick Vanhelms Foto in den manikürten Fingern schwenkte. »Ist das Mr Hunt?«
    »Ja, genau. Wieso? Hat er was angestellt?«
    »Wir wollen nur sichergehen, dass die Angaben zu seinem Arbeitsplatz auch wirklich stimmen«, log Lauren. »Wie gut haben Sie ihn gekannt?«
    »Gar nicht. Nicht besonders gut. Alles, was er zu mir gesagt hat, war morgens »Hi« und abends »Tschüss«. Da müssen Sie schon mit Mr Carlyle reden.«
    »Hat er denn überhaupt mal mit irgendjemandem gesprochen?«, erkundigte sich Chess.
    »Weiß ich doch nicht. Ich mach hier bloß den Eingang.«
    Links von ihnen öffnete sich eine Tür; die Tiergeräusche, die bisher nur gedämpft hindurchgedrungen waren, plärrten jetzt mit voller Lautstärke heraus, bevor sie mit dem Zufallen der Tür wieder verstummten.
    Chess wusste nicht, wie sie sich den Leiter eines Schlachthofs vorgestellt hatte; wahrscheinlich hatte sie immer das Bild eines stämmigen Holzfällers im Kopf gehabt, dem das Blut unter den Fingernägeln klebte. Aber Mr Carlyle - »Sagen Sie doch Ben zu mir« - war kaum größer als sie, hatte dünnes bräunliches Haar und wässrige blaue Augen und dazu derartig viele nervöse Ticks, dass sie ihm am

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