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Geisterstadt

Geisterstadt

Titel: Geisterstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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völlig aus, bis sie sich selbst wie Staub fühlte, wie eine leere Hülle - ein Psychopomp.
    Aber ihr Ziel war nicht die Stadt der Toten. Zumindest hoffte sie inständig, dass es noch nicht so weit war.
    Mit Lauren im Schlepptau ging sie zum Psychopompraum voran, wo sie hoffentlich eine intakte Feuertreppe erwartete. Wenn nicht... wenn nicht, würden sie sterben. Beinahe war es ihr egal; in der Stadt der Ewigkeit war es wenigstens kühl und dämmrig.
    Nein, nicht kühl und dämmrig. Kalt und dunkel. Dahin würde sie nicht gehen. Nicht heute. Verdammt, wenn sie jemals dort landete, dann wahrscheinlich auch in einer Geisterzelle; nur weil sie für die Kirche arbeitete, war sie noch lange kein guter Mensch. Was ihr im Moment aber auch völlig scheißegal war. Sie und Lauren klammerten sich aneinander; Chess wusste nicht mehr, wer eigentlich wem half. Jeder Atemzug endete im Husten, jedes krampfhafte Schlucken wurde zu einem Sandstrahl in ihrem Hals.
    Gehen war nicht weniger schwierig. Rauch, zum Schneiden dick, versperrte ihr die Sicht und zwang sie, sich mit vorsichtigen Schritten voranzutasten, um erst einmal mit den Zehen zu prüfen, ob der Boden auch noch trug. Lauren hing kraftlos an ihr, und Chess wusste nicht, was sie mehr fertigmachte, das zusätzliche Gewicht oder ungewollte Nähe. Vielleicht war Lauren ja doch gar nicht so übel - immerhin hatte sie einen der Psycho-pomos abgeknallt, nachdem sie sie überhaupt erst beschworen und ihnen damit beiden den Arsch gerettet hatte -, aber das hieß noch lange nicht, dass Chess aufs Kuscheln mit dieser Frau scharf war.
    Die Rampe war noch nicht zusammengebrochen, aber sie hatte das ungute Gefühl, dass es jeden Moment so weit sein konnte. Sie wackelte und mckelte unter ihren Schritten, die gegenüber dem hungrigen Flüstern des Feuers irgendwie unangemessen laut klangen. Sie wollte Lauren etwas sagen, sie wegschubsen, aber es schien die Mühe nicht wert.
    Stattdessen hustete sie mit schmerzerfüllter Brust und schleppte sich weiter über die Rampe. Ein toter Lamaru versperrte ihnen den Weg, das Gesicht eine formlose Masse aus verkohltem Fleisch.
    Und hinter ihm stand sein Geist.
    Chess ruckte den Kopf herum und blickte sich ein letztes Mal nach einem anderen Ausgang um. Fehlanzeige. Stattdessen sah sie nur noch mehr Geister. Man hatte sie entdeckt, und zwei Geister hatten schon fast das obere Ende der Treppe beim Büro erreicht.
    Ach zum Teufel damit, würden sie denn nie hier rauskommen? Konnte nicht irgendwas, irgendwann einfach mal ohne Probleme funktionieren?
    Ganz bestimmt. Blöde Frage.
    Lauren hatte sie auch gesehen. Ein paar Schritte von dem Lamaru entfernt blieben sie stehen. Durch die schimmernden Umrisse des Geistes sahen sie die rettende Tür des Psychopompraums. Verdammt, sie leuchtete ihnen praktisch entgegen und lockte sie mit dem Versprechen auf allerhand verführerisch Fluchtmöglichkeiten wie eine Downside-Nutte.
    Und diese Versprechen sollten besser wahr werden, dafür würde Chess schon sorgen, Geister hin, Geister her.
    Der letzte Rest Teufelsdreck füllte kaum ihre Handfläche. Sie hatte noch etwas Friedhofserde, sie konnte ... nein, Moment.
    »Wenn ich Jetzt! sage«, flüsterte sie Lauren zu, »rennst du auf die Tür zu. Aber halt den Kopf unten, okay? Ganz dicht am Boden.«
    Laurens Haut hatte einen Grauschimmer. Falls Chess noch irgendwelche Zweifel an dem gefährlichen, unausgegorenen Plan gehabt hatte, der sich in ihrem Kopf formte, waren sie spätestens bei diesem Anblick ausgeräumt. Sie mochte Lauren immer noch nicht und hätte ihr immer noch nichts anvertraut, was wichtiger war als ein Fussel. Aber sie saßen im gleichen Boot und dieses kurze Aufblitzen von Familienähnlichkeit mit dem Großältesten, die Aussicht, dass ihre Karriere als Debunkerin sich zukünftig auf das Aufspüren von Mäusegeistem in verlassenen Scheunen beschränken würde, gab den Ausschlag.
    Sie hatte sich die größte Mühe gegeben, die heftige Übelkeit zu ignorieren, die ihr seit dem Einsatz der fetischverseuchten Misteln in der Magengrube saß. Jetzt konzentrierte sie sich ganz darauf, spürte den Raben und ihrer Wut nach, überließ sich ihrer kalten Unbarmherzigkeit. Wesen ohne Seele, deren einziger Daseinszweck auf Erden darin bestand, dem nachzujagen, was sie nicht besaßen.
    Sie ließ sie los.
    Lamaru-Energie durchzuckte sie; ihre Rache, der Rückstoß ihres Zaubers, die Wirkung von zehn Minuten Rauch in ihrer Lunge zusammen mit Angst, Stress, Traurigkeit

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