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Geisterstunde

Geisterstunde

Titel: Geisterstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Cook
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den vierten Stock hinauf. Was sie wohl nervte? So wie ich ihre schweigsame, stoische Art kannte, würden wir es wohl sehr bald alle erfahren.
    Ich ging über die Empore in meinen Flügel. Auf dem Flur zu meiner Suite sah ich Blondie. Sie stand vor dem Flur der Suite des Generals. Ich winkte schwach, aber sie antwortete nicht. »O Junge.« Ich ging schnell in meine Suite.
    Einen Augenblick dachte ich, Blondie wäre mir zuvorgekommen. Dann erst wurde mir klar, daß es das Gemälde war. Es war so unheimlich, daß ich es mit dem Bild zur Wand stellte.
    »War’s nett?«
    Morpheus saß in einem großen gepolsterten Stuhl. Er sah verschlafen aus.
    »Grauenhaft.«
    »Deshalb siehst du so selbstzufrieden aus. Das muß ich mir merken. Mach dich frisch. Zeit fürs Frühstück.«
    Morpheus und scharf auf Kelles Kost? »Ich laß es ausfallen und mach statt dessen ein Nickerchen.«
    »Du arbeitest hier, Garrett. Da kannst du doch nicht einfach schlafen, wenn dir danach ist, oder?«
    »Das ist das Schöne daran, wenn man sein eigener Boß ist.« Er hatte natürlich recht, und zwar weit mehr, als ihm klar war. Ich konnte schlafen, sicher. Und wenn in dieser Zeit jemand umgebracht wurde, würde mich das Jahre verfolgen. »Also gut. Einverstanden.«
    Jetzt sah er selbstzufrieden aus, der Mistkerl. Er wußte genau, wie er mich fertigmachen konnte. Ich verschwand in meinem Ankleidezimmer, spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht, rührte Schaum an und schabte meine Stoppeln ab. Morpheus stellte sich breitbeinig in die Tür und sah mir eine Weile zu. »Ich sollte mich wohl besser an die Köchin ranmachen. Sonst wickelst du hier noch alle Frauen ein.«
    »Da hast du Pech. Kelle war meine erste Eroberung.«
    Er schnaubte verächtlich.
    »Ich mußte mich beeilen, weil ich wußte, daß du nur so auf sie fliegen würdest«, sagte ich und wischte mir übers Gesicht. »Andererseits will ich dir auch nicht im Weg stehen. Sie ist genau dein Typ. Ich werde auf eurer Hochzeit singen.«
    »Glaub nur nicht, daß du mich zu einem geistigen Wettkampf gegen einen unbewaffneten Mann verführen kannst.«
    »Oho!«
    »Es liegt natürlich an deiner Diät. Ich sollte mit der Köchin darüber reden. Eine Diät müßte dem General mehr helfen als ganze Schwadrone von Ärzten und Hexen.«
    »Willst du schon wieder kneifen?«
    »Was?«
    »Das ist deine letzte Zuflucht, Kumpel. Immer wenn du nicht mehr weiterweißt, redest du von rohem Fleisch, Selleriesaft und gekochtem Unkraut.«
    »Gekochtem Unkraut? Willst du damit sagen, daß du tatsächlich eine Mahlzeit in meinem Restaurant erstanden hast? Ich meine, aus deiner eigenen Tasche bezahlt hast?«
    Ich war so müde, daß ich vergaß, wie gut er den Aufrichtigen spielen kann und beging den Fehler, ehrlich zu antworten. »Daran kann ich mich wirklich nicht erinnern. Bisher ging es jedesmal aufs Haus.« Und es war nicht einmal schlecht gewesen, aber wer hätte das schon freiwillig zugegeben?
    »Und du beschwerst dich über kostenlose Mahlzeiten. Weißt du, wie teuer es ist, dieses ›Unkraut‹ zusammenzubekommen? Die Kräuter sind selten und wachsen wild. Man kann sie nicht zum Verkauf kultivieren.« Heute spielte er aber sehr ausdauernd den Aufrichtigen, und ich konnte nicht mehr unterscheiden, ob er mich verarschte oder nicht. Ich weiß, daß er ganz schön gepfefferte Preise hat. Aber ich hatte immer geglaubt, es gehöre zum Ambiente, damit seine Kunden meinten, sie kauften Klasse.
    »Wir werden zu ernst«, sagte ich und ging damit möglichen Streitfragen aus dem Weg. »Laß uns lieber runtergehen und rausfinden, womit sie uns heute vergiftet.«
    »Keine sehr glückliche Wortwahl, Garrett, aber einverstanden.«

 
38. Kapitel
     
    Irgendwann vor hundert Jahren hatte Kelle anscheinend einmal ein Riesenfrühstück zubereitet und wärmt seitdem die Reste auf. Es gab wie immer das gleiche fettige Fleisch, die gleichen Teigwaren und die gleiche Bratensoße wie an den anderen Tagen. Der Fraß war so schwer, daß man eine Galeone damit hätte versenken können. Morpheus litt. Er beschränkte sich auf die Teigwaren. »Wenigstens ist der Sturm vorbei«, knurrte er.
    Es war ruhiger geworden. Der Regen war zu einem Nieseln geworden, und der Wind hatte sich gelegt. Es wurde kälter, was nichts Gutes ahnen ließ. Vermutlich schneite es bald wieder.
    Jennifer tauchte nicht auf, was mich nicht überraschte. Die anderen nahmen es kommentarlos zur Kenntnis, also war es vermutlich nicht ungewöhnlich. Aber Wayne war auch nicht

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