Geisterstunde
uns etwa verkracht hätten. Es war einfach nicht nötig, dieses Karnickelfutter zu fressen, das seiner Küche entkam, und ich hatte auch nicht das Bedürfnis danach.
Ich erreichte den Laden gegen neun. Um die Zeit hat er noch geschlossen. Seine Öffnungszeiten sind von elf bis sechs Uhr früh. In dieser Zeit füttert er alle empfindungsfähigen Rassen, die auf unserer schönen Welt wandeln und die verdreht genug sind, sich von Gemüse ernähren zu wollen.
Es trifft alle möglichen Leute. Selbst einige meiner besten Freunde essen da. Sogar ich habe es versucht. Allerdings nicht gerade mit überschäumender Begeisterung.
Also. Neun Uhr. Die Kneipe war abgeschlossen. Ich ging zur Hintertür und gab das geheime Klopfzeichen. Ich krakeelte und hämmerte wie blöd gegen die Tür, bis Morpheus’ Schläger Kuddel mit einem dicken Bleirohr in der Tür erschien und drohte, mir das Hirn in die Eier zu rammen.
»Ist geschäftlich, Kuddel.«
»Konnte mir auch nur schwer vorstellen, daß du geil auf ‘ne Schüssel Bohnenmus bist. Du zeigst deinen Arsch doch nur, wenn du was willst.«
»Dafür bezahl ich ja auch.«
Er schnaubte verächtlich. Er fand es nicht richtig, daß ich Morpheus benutzte, nur weil der mich mehrmals ausgenutzt hatte. Gegen meinen Willen und bei lebensgefährlichen Unternehmungen, und dann auch noch nur deshalb, weil er seine horrenden Spielschulden loswerden wollte.
»Bargeld, Kuddel. Und er braucht nicht mal seinen Hintern zu bewegen. Er muß nur jemanden losschicken, der die Drecksarbeit für ihn erledigt.«
Das heiterte Kuddel nicht besonders auf. Weil er einer der Jungs ist, die für Morpheus diese Arbeit erledigen. Aber wenigstens schlug er mir nicht die Tür vor der Nase zu.
»Komm rein.« Er winkte mich nach drinnen und verrammelte die Tür. Dann führte er mich durch die Küche, in der Köche Kohlköpfe und Broccoli schlachteten, ließ mich an der Bar zurück und stellte mir einen Humpen Apfelsaft naturtrüb vor die Nase. »Warte hier.« Dann ging er nach oben.
Der Gastraum war leer und verloren, fast schmerzlich ruhig. So sollte es hier immer sein und nicht überfüllt und laut wie üblich.
Morpheus Ahrm ist ein Kopfgeldjäger. Ein ›Physiotherapeut‹, was bedeutet, daß er Knochen bricht. Er läßt auch schon mal jemanden über die Klinge springen. Die meisten Burschen, die für ihn arbeiten, assistieren ihm dabei. Morpheus ist ein tödlicher Parasit, der an der dunklen Unterseite der Gesellschaft klebt und sie auslutscht. Er ist der Beste seines Fachs, mit Ausnahme vielleicht von einem Mordbubengespann, das für Kain Kontamin killt.
Summa summarum verkörpert Morpheus Ahrm alles, was ich nicht mag. Er ist die Art Kerl, die ich fertigmachen wollte, als ich beschloß, ein guter Mensch zu werden. Leider kann ich ihn gut leiden.
Manchmal kann man einfach nicht anders.
Kuddel kam die Treppe herunter und schüttelte den Kopf.
»Was ist los?« erkundigte ich mich.
»Er treibt diese Gesundheitsnummer wirklich zu weit.«
»Das sagst du mir? Er wirkt wie neugeboren und versucht jetzt, alle anderen zu erretten.« Der einzige Körnerfresser-Killer der Welt. Er will die Welt vor den Gefahren eines guten Steaks bewahren, bevor er ihr die Kehle durchschneidet. Ich weiß nicht. Irgendwie klingt das doch widersprüchlich, oder? »Hat er die Gesundheitsliste erweitert?«
»Ist schon ein paar Monate her seit deinem letzten Besuch, stimmt’s?«
»Letztes Mal hatte er gerade dem Spiel abgeschworen und hielt sich auch daran. Mit den Frauen hat er es auch versucht, aber das konnte er nicht ertragen.«
»Er wettet nicht mehr. Das muß man ihm zugute halten. Jetzt ist die Devise: Früh ins Bett und früh wieder aus den Federn. Er ist wach. Und das um diese Zeit. Er ist angezogen, hat seine Körner gepickt und absolviert gerade seine Morgengymnastik. Vor einem Jahr hätte man ihn niemals zu dieser Tageszeit aus dem Bett gekriegt.«
O doch, vorausgesetzt, es lag genug Geld drin. »Wunder gibt es eben immer wieder.«
»Er will, daß du hochkommst. Noch ein Gläschen?«
»Warum nicht. Fruchtsaft ist das einzige, was ich hier ertragen kann.«
Er zwinkerte. Kuddel hatte sich von Morpheus nicht bekehren lassen. Er füllte meinen Humpen auf, und ich nahm ihn mit in Morpheus’ Büro. Es ist so eine Art Bastion vor seinen persönlichen Gemächern. Ich bin so ziemlich der engste Freund, den er hat, aber selbst ich habe es nie weiter als bis ins Büro geschafft. Ich trage mein Haar zu kurz und lege zu
Weitere Kostenlose Bücher