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Geisterstunde

Geisterstunde

Titel: Geisterstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Cook
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prallte und von meiner Schulter zurückfederte. Der Hieb setzte mich nicht ganz schachmatt, sondern nur zu neunundneunzig Prozent. Aber er betäubte mich. Eine halbe Minute lang nahm ich verschwommen einen Schatten wahr, der sich bewegte. Dann erst gingen die Lichter aus.
     
    Das harte Zeug ist nichts für dich, dachte ich, als ich aufwachte. Ich werde allmählich zu alt dafür. Dieser Mordskater ist die ganze Sache nicht wert.
    Ich dachte, ich wäre zu Hause an meinem eigenen Schreibtisch zusammengesackt. Die Wahrheit dämmerte mir, als ich versuchte aufzustehen. Meine Umgebung war mir fremd, und mir war schwindlig. Ich fiel hin, schlug mit dem Kinn gegen den Rand des Tisches, rollte mich auf dem Boden zusammen und kotzte auf den Teppich. Als ich versuchte, mich zu bewegen, setzte das Schwanken wieder ein.
    Irgendwann während des ganzen Vergnügens rannte jemand an mir vorbei zur Tür. Ich sah etwas Braunes vorbeihuschen, achtete jedoch nicht darauf.
    Du hast eine Gehirnerschütterung, Garrett. Dieser Gedanke beunruhigte mich. Ich habe schon Männer gesehen, die nur noch Mus im Kopf hatten, nachdem man ihnen eine auf den Deckel gegeben hatte. Einige waren für immer gelähmt gewesen, andere schlafen gegangen und nie wieder aufgewacht.
    Bleib wach, Garrett, bleib wach. Das sagt der Arzt auch immer. Steh auf, Garrett. Scheiß auf das Schwanken. Nimm die Sache in die Hand, Garrett. Unterwirf deinen Körper deinem stählernen Willen.
    Das Dumme war nur, daß ich kaum noch einen Willen hatte.
    Nach einer Weile schaffte ich es, die Knie unter den Körper zu ziehen und zur Tür zu krabbeln. Einige Male während dieses Gewaltmarsches fiel ich platt auf die Nase. Aber die Bewegung tat gut. Als ich die Tür erreichte, war ich so fertig, daß ich schon fürchtete, niemals mehr sterben zu können. Immerhin schaffte ich es, soviel Ehrgeiz zusammenzukratzen, daß ich die Tür öffnen konnte und einen Meter auf den Flur krabbelte. Dann wurde ich wieder ohnmächtig.
     
    Zarte, feingliedrige Finger streichelten zärtlich über mein Gesicht. Ihre Sanftheit erinnerte mich an die Zärtlichkeiten einer blinden Frau, die mich mal gestreichelt hatte. Irgendwie schaffte ich es, mich rumzudrehen und ein Augenlid einen Millimeter weit zu öffnen.
    Meine Süße in Weiß war mir zu Hilfe geeilt. Sie sah besorgt aus. Ihre Lippen bewegten sich, aber ich hörte nichts.
    Panik packte mich. Ich hatte von Jungs gehört, die nach einem solchen Schlag ihr Gehör für immer verloren hatten.
    Sie sprang auf und trat zur Seite. Dabei wäre das gar nicht nötig gewesen. In meinem Zustand hätte ich nicht mal eine Schnecke einholen können. Außerdem waren meine Beine in der Tür vom Schwarzen Peter eingeklemmt. Ich saß wie die sprichwörtliche Maus in der Falle. »Bitte, geh nicht«, krächzte ich schwach.
    Mein Schnüfflerverstand war gut gepolstert und voll intakt. Ich wollte es endlich wissen.
    Sie kam zurück, ließ sich auf die Knie herunter und massierte weiter meinen Kopf. »Bist du schwer verletzt?« Ihre Stimme war kaum stärker als ein Hauch und klang ebenfalls besorgt.
    »Nur in meinem Herzen. Du läufst immer weg.« Wir Ermittler sind knallharte Typen und verlieren unser vordringlichstes Ziel niemals aus den Augen. »Du bist die schönste Frau, die ich jemals gesehen habe.«
    Ihre Augen leuchteten auf. Es ist schon seltsam, wie gern Frauen gesagt bekommen, wie schön sie sind. Genauso seltsam wie die Tatsache, daß ein Felsbrocken steil herunterfällt, wenn man ihn losläßt. Sie lächelte sogar kurz.
    »Wer bist du?« Sollte ich ihr sagen, daß ich sie liebte?
    Nein, das wäre voreilig. Es war besser, noch zehn Minuten zu warten.
    Sie antwortete nicht, sondern massierte weiter meine Stirn und meine Schläfen, wobei sie ein Lied sang. Ihre Stimme klang so leise, daß ich die Worte nicht verstehen konnte.
    Wer war ich schon, den Willen der Götter zu kritisieren? Ich schloß die Augen und ließ den Dingen ihren Lauf.
    Das Lied wurde etwas lauter. Ein Wiegenlied, eins von der Sorte: Schschsch, mein Süßer, schlaf schön. Von mir aus. Zum Teufel mit dem Auftrag. Das hier war das wahre Leben.
    Etwas berührte meine Lippen so zart wie eine Daunenfeder. Ich schlug die Augen auf. Ihr lächelndes Gesicht war kaum einen Zentimeter entfernt.
    Jaa!
    Mit einem Schlag verlor ihr Gesicht seinen Ausdruck. Sie sprang auf und floh. Bamm. Bevor ich die Schrecksekunde überwunden und meinen Kopf gewendet hatte, war sie schon fort.
    Ich hörte Schritte, erst

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