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Geisterzorn: Der Fluch von Lost Haven (German Edition)

Geisterzorn: Der Fluch von Lost Haven (German Edition)

Titel: Geisterzorn: Der Fluch von Lost Haven (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. G. Felix
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fragten, was der jeweils andere jetzt vorhatte. Ich kann nicht sagen, wie lange dieser Moment angedauert hat. Mein Zeitgefühl war gänzlich abgestellt.
    Was Michelle über mich gesagt hat, mag herzlos und kalt gewesen sein. Doch lagen in ihren Anschuldigungen auch Wahrheiten. Ich spreche über das Versagen.
    Es gibt eine schier grenzenlose Palette an Möglichkeiten, in denen ein Mensch im Laufe seines Lebens versagen kann. Sei es im Beruf, im Privaten, in seiner Moral oder in seiner Ethik.
    Wir versagen in den Augen anderer oft dann, wenn wir es uns gar nicht bewusst sind.
    Und genau so war es jetzt mit mir.
    Während ich dem unsichtbaren Geist gegenüber stand, gab es hinter mir eine Veränderung, die ich zunächst nicht spezifizieren konnte, weil es mir nicht gelang, meinen Blick von dem Unsichtbaren abzuwenden.
    Schließlich nahm der Geist allmählich Gestalt an. Ein klar konturierter Schatten bildete sich vor mir. Zuerst wollte ich vorsichtshalber meine Brille abnehmen, doch etwas sagte mir, dass es diesmal anders sein würde. Die Brille würde nicht zerbrechen und die Kopfschmerzen würden sich nicht zurückmelden, weil der Geist heute nicht im Zorn gekommen war. Doch in welcher Stimmung war er dann hier? Ich ahnte es vage. Ich fühlte es fast. Ich wusste es beinahe.
    Meine Konzentration wurde abgelenkt durch das, was sich hinter mir abspielte. Denn ich spürte einen kalten Hauch in meinen Nacken strömen, der anders war als die Kälte von dem Schatten vor mir.
    Während all dies vor und hinter mir geschah, reifte in mir die Erkenntnis, worin mein Versagen lag.
    Der Schatten hatte jetzt eine deutliche Form angenommen. Die Form eines Menschen.
    Hinter mir trug die kühle Luft einen Geruch heran, der auf der einen Seite angenehm und vertraut und auf der anderen Seite abstoßend und fremd war.
    Ich wusste es beinahe, woran mich dieser Geruch erinnerte, doch wagte ich nicht, mich danach umzudrehen.
    Die Wahrheit über mein Versagen würde über mich kommen. In meinem tiefsten Innern begann ich zu verstehen und mein Unterbewusstsein griff meinem Verstand vor und trieb mir Tränen in die Augen. Denn nur zwei weinende Augen waren der Gewalt der Erkenntnis angemessen.
    Es war noch eine zweite Präsenz hier. Sie war es, die hinter mir war und mir ihren kalten Atem in den Nacken hauchte.
    Mit an den Schatten gehefteten Augen drehte ich meinen Kopf ein wenig nach rechts.
    Ich hatte es bei ihnen gesehen und war mir sicher, mich nicht geirrt zu haben. Doch hatte ich im entscheidenden Moment versagt und es übersehen.
    Ich habe es zuerst bei Melissa gesehen und dann bei Peter. Und auch bei Elizabeth, auch wenn sich meine Befürchtungen bei ihr bislang nicht bestätigt hatten.
    Nur das Offensichtliche ist mir entgangen.
    Mir offenbarte sich nicht nur das Ausmaß meines Versagens, sondern auch seine Art.
    Ich spürte den kalten Atem an meinem Ohr, als ich erkannte, dass ich Opfer einer alten Volksweisheit geworden bin.
    Dass Liebe blind macht, meine ich.
     
     
    2
     
    Eine Stimme – nur Zentimeter von mir entfernt - flüsterte mir ins Ohr und ich wusste schon vorher, wem die Stimme gehörte.
    »Vergib mir«, flüsterte sie.
    Der Schatten vor mir hob einen Arm und deutete zum Bild über dem Bett.
    Ich folgte dem Fingerzeig.
    Das Bild fluoreszierte in einem grünlichen Licht.
    Der Mann im schwarzen Anzug war verschwunden. Stattdessen stand die Frau im roten Kleid barfuß am Abgrund und blickte über ihre linke Schulter.
    In ihrem Gesicht sah ich die Hoffnungslosigkeit über die fehlende rettende Hand, die sie von ihrem Vorhaben abbringen würde.
    Und ich sah ihr Leid nach der Zurückweisung, welche die letzte in ihrem Leben gewesen sein sollte.
    Das Gesicht der Frau im roten Kleid am Klippenrand gehörte Beverly.
     
     
    3
     
    Mein Leid war zu ihrem geworden, nur konnte sie es nicht ertragen.
    Ich sah zum Schatten und wusste jetzt, was mein Gegenüber empfand. Es war Bedauern und Mitleid. Aber auch Schuld.
    Wie beschreibe ich es am besten, wenn ich einerseits tief in mir drin genau wusste, dass Beverly von der Klippe gesprungen war, und ich es andererseits nicht und niemals glauben konnte?
    Ich weiß es nicht. Und eigentlich ist auch unerheblich, weil alles, was von mir in Lost Haven übrig geblieben war, und das ich versucht hatte zu bewahren, just in diesem Moment zerbrochen war.
    Der Schatten kam auf mich zu und hüllte mich in seinen schwarzen Nebel ein. Ich hatte das Gefühl zu schweben.
    Es war keine Inbesitznahme,

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