Geisterzorn: Der Fluch von Lost Haven (German Edition)
sondern mehr eine Umarmung.
Ich blickte in einen undurchdringlichen und stürmischen Nebel. Dann bildete sich ein Tunnel, an dessen Ende ein Licht zu sehen war. Ich raste auf das Ende dieses Tunnels zu, obwohl ich mich nicht bewegte.
Am Ende war aber kein Licht, wie ich anfangs vermutet hatte, sondern ein Bild.
Ich sah es mir genau an, denn der Geist wollte, dass ich es sah.
Es war das erste von drei Bildern, die ich zu sehen bekam. Ich betrachtete jedes einzelne lange und genau.
Das erste Bild zeigte mich von vorne aufgenommen, wie ich auf der Felsterrasse vor dem Alten Fels stehe und fassungslos auf etwas vor mir schaue. Hinter mir der Ozean. Ich habe dieselbe Kleidung wie jetzt an. Ein blaues T-Shirt und eine dunkle Jeans, aber keine Schuhe.
Das nächste Bild zeigte mich an einem Tisch sitzend, wieder von vorne porträtiert. Mir schräg gegenüber saßen zu meiner linken und zu meiner rechten zwei weitere Personen. Es waren Beverly und Peter. Ich erkannte die Szenerie. Es war das Restaurant am Hafen, in dem wir Peters Geburtstag gefeiert haben. Aber etwas war anders als in meiner Erinnerung. Auf dem Bild lache ich unbeschwert aus vollem Herzen. Ich weiß zwar, dass ich an jenem Abend das eine oder andere Mal gelächelt habe, aber ich kann mich nicht erinnern, ausgiebig gelacht zu haben.
Im dritten und letzten Bild war wieder ich der Protagonist.
Auf dem Bild war es Nacht. Daher war die Szenerie von dunklen Farben wie schwarz, braun und dunkelblau beherrscht. Erneut von vorne aufgenommen, stand ich anscheinend erneut auf der Felsterrasse, denn hinter mir konnte ich schemenhaft den Alten Fels erkennen. Neben mir stand eine weitere Person, die halb mit der Dunkelheit verschmolzen war. Ich weiß nicht, wen sie darstellen sollte.
Wie es den Anschein hatte, erblickte ich etwas auf dem Meer.
Dann verschwand auch dieses Bild.
Der Nebel löste sich auf.
Die Kälte verschwand.
Das Licht im Erdgeschoss erlosch.
Ich war wieder allein.
4
Ich fühlte mich, als wäre ich aus einer kurzen Ohnmacht erwacht.
Ich machte das Licht an und sah zum Bild. Die Farben darauf waren zerlaufen. Es war nichts mehr zu erkennen.
Den Abgrund, den das Bild gezeigt hatte, hatte ich schon einmal gesehen. Erst jetzt bemerkte ich es. Es war die Klippe östlich von hier. Es war ungefähr an der Stelle, an der ich vor Erschöpfung zusammengebrochen war, nachdem ich erfahren musste, dass Peter tot war.
»Beverly«, sagte ich, als ob ich mir ihren Namen in Erinnerung rufen wollte.
»Beverly!«, rief ich.
Dann rannte ich nach unten, schnappte mir eine Taschenlampe, stürmte aus dem Haus und blickte nach rechts. Am Ende der Straße stand Beverlys Wagen.
Ich rannte darauf zu. Als ich ihr Auto erreicht hatte, fand ich es verlassen vor.
Ich sah zum aufsteigenden Pfad, der zu den Klippen führte.
Es ist noch nicht zu spät!, dachte ich verbissen.
Dann hetzte ich los.
Nach einem steilen Anstieg verlief der Weg auf dem Kamm eben, so dass ich noch schneller gelaufen wäre, wäre da nicht der vom vielen Regen der letzten Tage aufgeweichte Boden gewesen.
Mehrmals blieb ich im Lehmboden stecken, bis ich schließlich erst den linken und dann den rechten Schuh im Matsch verlor.
Ich rannte immer weiter den ausgewaschenen Pfad entlang, immer parallel zur Klippe.
Nach einer Weile geriet ins Stolpern und fiel nach vorn, konnte mich jedoch mit den Händen abstützen.
Ich kniete auf dem Boden mit den Händen in der Erde und erblickte vor mir im Lichtkegel der Taschenlampe einen Fußabdruck. Den Abdruck eines nackten Fußes.
Der Fußabdruck war zur Klippe gerichtet. Ich folgte der Spur, bis sie sich auf dem harten Fels verlor, wenige Meter vor dem Abgrund.
Ich ging noch einmal zurück und leuchtete die Umgebung ab. Aber die Spur führte weder zurück noch in eine andere Richtung.
Atemlos ging ich bis zum Klippenrand und hielt den Lichtkegel der Taschenlampe in die dunkle Tiefe.
Der Schein der Lampe war nicht stark genug, um bis ganz nach unten vorzudringen.
Jedwede Hoffnung war zunichte. Es war zu spät.
Ich hatte sie im Stich gelassen.
5
»Wieso, Beverly?«, rief ich in die Tiefe.
»Wieso hast du mir das angetan? Das ergibt keinen Sinn. Es ergibt keinen Sinn! Was geht hier bloß vor?«
Ich konnte nicht weinen. Ich konnte jetzt nur noch Eines tun.
Ich ging zurück zu meinem Haus, holte den Autoschlüssel und fuhr zur Felsterrasse.
Mrs. Abagnale wusste, dass ich hierher kommen würde, weil der Geist es ihr
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