Geisterzorn: Der Fluch von Lost Haven (German Edition)
gesagt hat. Weil ich es auf dem ersten Bild gesehen hatte. Weil ich gesehen hatte, dass ich hier die Wahrheit erfahren würde.
Am Alten Fels angekommen, stellte ich mein Auto am Straßenrand ab und ging eine in den Fels gehauene Treppe hinunter, die zu den Überresten des Hauses von Ernest Hawl führte. Nur der zerfallene Kamin ragte noch als Felssteinhügel aus dem Boden.
Ich setzte mich in der Nähe auf einen Stein.
Und während ich wartete, begann ich, Ihnen meine Geschichte zu erzählen.
Jack schließt den Kreis
1
Jetzt wissen Sie, wie ich hierher gekommen bin.
Die ganze Zeit musste ich daran denken, wie sich Ernest Hawl gefühlt haben mag, als ihm bewusst wurde, dass die Speedwell ein Gespensterschiff aus der Vergangenheit war.
Ob er geahnt hat, dass mit dem Auftauchen des Schiffes sein eigenes Schicksal besiegelt worden war?
Ja, ich denke er hat es geahnt.
Wie spät ist es wohl? Ich habe keine Uhr dabei. Es müsste schon bald hell werden.
Der einzige Grund, warum ich nicht schon längst von der Klippe gesprungen bin und Ihnen meine Geschichte vollständig bis zu diesem Punkt erzählt habe, liegt darin, dass ich an diesem Ort eine schleichende Veränderung verspüre. Eine Veränderung, die mir ein wenig Hoffnung darauf gibt, endlich Antworten zu bekommen.
Eingangs erwähnte ich, dass sich die Zeit verändert hätte. Aber ich bin überzeugt, dass es mehr ist als nur das. Nicht nur Zeit verläuft anders. Ich fühle mich als nicht richtig hier zu sein. Als ob dieser Ort und ich nicht im selben Raum-Zeit-Gefüge existieren. Anfangs war es nur eine vage Ahnung. Jetzt aber ist es Gewissheit.
Ich bin mir nicht sicher, wie ich es nennen soll: Eine Umwandlung findet statt. Mrs. Abagnale hatte richtig gelegen. An diesem Ort hat alles begonnen. Von der Fachwelt der Parapsychologie links liegen gelassen, entpuppte sich dieser Ort am Alten Fels als die Quelle allen Übels, das über Lost Haven und zuletzt über mich hereingebrochen war.
Die Umwandlung ist kurz davor, das Ergebnis preiszugeben.
Es kann nicht mehr lange dauern. Dann ist der Prozess beendet.
Merkwürdig. Ich fürchte mich gar nicht mehr.
2
Ich höre etwas aus der Ferne. Es kommt von der Straße. Ich halte nach der Quelle des Geräusches Ausschau.
Es ist ein Auto. Ich kann die Scheinwerfer schon von Weitem sehen. Der Wagen fährt schnell, aber nicht schnell genug, um von Rasen zu sprechen.
Das Auto erreicht den Anfang des großen Bogens, den die Straße um den Alten Fels beschreibt.
Zwischen der Straße und der Felsterrasse beträgt der Höhenunterschied circa vier Meter. Hawls Haus, neben dem ich nach wie vor warte, ist etwa zwanzig Meter vom Straßenrand entfernt.
Irritiert drehe ich mich einmal um mich selbst. Die Umwandlung! Sie ist abgeschlossen.
Die Dunkelheit der Nacht ist anders als zuvor. Die Temperatur ist höher. Die Luftfeuchtigkeit niedriger. War der Himmel bis eben nicht wolkenverhangen?
Ich höre das typische Quietschen von Reifen. Ich wende den Blick zur Straße. Das grelle Licht der Scheinwerfer strahlt über mich hinweg.
Das Auto! Es rast auf mich zu! Ich muss mich in Sicherheit bringen!
Ich stolpere ein paar Schritte zu Seite, kann aber meinen Blick von den Scheinwerfern nicht lösen.
Das Auto – vermutlich ein Kombi – nimmt die letzten Meter vor dem kleinen aber fast senkrechten Abhang zur Felsterrasse.
Bevor er mit aufheulendem Motor über den Vorsprung fliegt, rammt der Wagen mit der rechten Vorderseite eine Gesteins-spitze, die wie ein Zwerg aus dem Felsen ragt.
Es gibt einen lauten Krach. Die Reifen verlieren den Bodenkontakt, und das Gefährt dreht sich im Flug über den kleinen Abhang um neunzig Grad nach rechts, bevor es donnernd mit der Fahrerseite gegen den Steintrümmerhaufen des Hauses einschlägt und abrupt zum Stillstand kommt.
Zeitgleich mit dem Aufprall explodiert in meinem Kopf der Schmerz und meine Brille zerspringt, obwohl ich in sicherem Abstand Zeuge des Geschehens bin und keine herumfliegenden Teile abbekomme.
Das rote Rücklicht leuchtet mir auf die Netzhaut und bereitet mir Schmerzen. Ich nehme die Brille ab und stelle erschreckt fest, dass ich aus der Nase blute. Mir wird schwindelig.
Ich kann ohne meine Sehhilfe das Nummernschild nicht lesen, aber dieser Wagen sieht genauso aus wie meiner, den ich nur wenige Meter von hier geparkt habe. Mein Wagen steht aber nach wie vor am Straßenrand.
Benommen vom Schmerz und der Desorientierung schleppe ich mich
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