Geisterzorn: Der Fluch von Lost Haven (German Edition)
ganz deutlich. Ich ballte unter der Decke die Hände zu Fäusten und kniff die Augen zu. Ich wollte das nicht hören. Ich wollte nur, dass es aufhört. Doch dann war ich mir sicher, dass das, was immer es auch war, direkt neben mir stand und auf mich herab blickte.
Das Beinahe-Flüstern in meinem Kopf wurde lauter. Je länger es anhielt, desto mehr glaubte ich, dass es gesprochene Worte waren. Ich war aber unfähig sie zu verstehen.
Ich spürte dieses Wesen mit jeder Faser meines Körpers. Ich hörte es nicht nur in meinem Kopf, ich konnte es auch durch meinen sechsten Sinn an meiner Haut spüren. Die Luft war elektrisiert. Ich konnte fühlen, wie es rechts neben mir stand, und wie es atmete. Das alles nahm ich wahr, aber es spielte sich alles nur in meinem Kopf ab. Die realen Sinne wären zu derartigen Wahrnehmungen unfähig.
Obwohl ich immer noch bewegungslos tiefer und tiefer in Furcht versank, sagte mir mein Rest von Verstand, dass dieses Phänomen anders war als die vorigen. Meine rationalen Überlegungen gingen sogar soweit, dass ich ziemlich sicher war, dass dieses Wesen in meinem Schlafzimmer ein anderes war als das vor ein paar Nächten. Ich wechselte zwischen Neugier und Furcht, als ich darüber nachdachte und nicht schlecht staunte, als die Neugier meine Angst in die Tiefen meiner Emotionen verbannte.
Dieses Wesen, das nur ein paar Zentimeter von mir in Erscheinung getreten war, hatte nicht vor, mich zu ängstigen. Es war nicht gegen mich, auch wenn es sich mir nicht offenbaren wollte oder konnte.
Dann verstummte das Wispern abrupt. Das elektrisierende Gefühl war fort. Wie ein Stecker, den man herausgezogen hat. Es blieb nichts als Stille.
Mein neu entdeckter sechster Sinn sagte mir, dass es fort war.
Prüfend atmete ich ein und stellte entmutigt fest, dass es noch nicht vorbei war, weil die Luft immer noch frostig war.
Es vergingen viele ereignislose Minuten, die mich hoffen ließen.
Ich glaubte mich schon in Sicherheit und überlegte, ob meine Strategie, mich nicht zu bewegen und nichts zu unternehmen, was dieses Ding provozieren könnte, zum Erfolg geführt hatte.
Je mehr Zeit verstrich, desto mehr war ich von dieser Theorie überzeugt.
Aber dann drang ein lautes Rascheln vom Garten durch das geschlossene Fenster an meine Ohren. Diesmal waren keine übernatürlichen Sinne nötig, um es zu hören.
Es wiederholte sich mehrmals. Panisch versuchte ich, mir ein Bild von dem zu machen, was sich draußen in meinem Garten abspielte. Und das Einzige, was ich mir vorstellen konnte, war ein abscheuliches Ding, welches schwerfällig auf dem Rasen herumschlurfte. Nicht weil es nicht anders gehen konnte, sondern weil es wollte, dass ich es höre. Und weil es wollte, dass ich aus meinem Bett kroch und es mir ansah. Es würde solange da unten weitermachen, bis ich es nicht mehr aushalten würde.
Also schön! Ich spiele mit!
Ich brachte es fertig, die Bettdecke wegzuziehen und nach meiner Brille zu fahnden. Ich fand sie und setzte sie mir konzentriert auf. Ich hatte kein Bedürfnis mehr nach dem Licht, denn ich wusste, dass das Ding draußen auf dem Rasen sofort aufhören würde, sobald ich den Lichtschalter umlegte. Es würde sich mir nur zeigen, wenn es dunkel blieb.
Kerzengerade setzte ich mich im Bett auf und drehte meinen Kopf zunächst nach links zum Fenster, von wo aus der stete Strom von raschelnden Geräuschen nicht abebbte. Dann ließ ich den Blick durch die Dunkelheit des Raumes gleiten, bis ich endgültig davon überzeugt war, dass ich mich wieder alleine im Schlafzimmer befand.
Das wütende Ding da draußen und jenes sanfte Wesen hier drinnen waren vollkommen verschieden. Dessen war ich mir absolut sicher.
Ich stand auf und schlich zum Fenster. Heute Nacht war Halbmond. Ein graues, äußerst schwaches Licht drang durch die Ritzen der Jalousie, so dass es nicht ausreichte, um auch nur ein Hauch Helligkeit ins Schlafzimmer zu bringen.
Ich positionierte mich hinter einer der oberen Lamellen und hielt die rechte Hand bereit, diese hochzuschieben.
Ich zögerte noch einen Moment und hörte dem Rascheln zu, das immer aggressiver wurde.
Trotz der Kälte lief mir ein Schweißtropfen von der Stirn und wurde von einer Augenbraue aufgefangen. Ich wischte ihn bedächtig weg, damit er mir nicht ins Auge lief, wenn ich durch das Fenster blicken würde.
Dann hielt ich den Atem an und machte noch einen letzten Lidschlag, bevor ich die Lamelle der Jalousie hochschob und
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