Geisterzorn: Der Fluch von Lost Haven (German Edition)
Schreiben begonnen habe.
Ich machte nach diesen drei erholsamen Nächten einen langen Spaziergang. Nicht zufällig schlenderte ich bei Beaver’s Books vorbei. Ich wollte nicht schon wieder den Laden betreten, weil ich nicht wusste, was ich schon wieder kaufen sollte. Deshalb schaute ich von draußen in das Geschäft hinein, um zu sehen, was Melissa macht. Zu meiner Erleichterung sah ich im Vorbeigehen, dass sie ganz normal und gesund ausschaute, während sie eifrig einem Kunden ein Sachbuch empfahl. Spätestens in jenem Augenblick war ich davon überzeugt, dass mir meine Fantasie - angeregt durch meine schlaflosen Nächte - einen perfiden Streich gespielt hatte.
Überall hast du Gespenster gesehen, du Idiot.
Es war schon lange her, dass ich mich so entspannt gefühlt hatte.
Glaubte ich noch vor ein paar Tagen in einem Strudel der gespenstischen Ereignisse gefangen zu sein, aus dem es kein Entkommen gibt, so war ich mir nun sicher, dass ich mich freigeschwommen hatte.
Wie konnte ich denn ahnen, dass diese Annahme ein entsetzlicher Irrtum war?
Susan Danvers verschlägt es die Sprache
1
Es war der 19. September.
Mit ausschließlich positiven Gedanken beendete ich den Tag. Ich hatte am Abend lange mit Peter telefoniert, weil er ein paar Sportwetten abschließen wollte, und dazu von mir ein paar Tipps benötigte.
Es war ein guter Tag gewesen. Ich hatte das Bedürfnis, mir zum Einschlafen passende Musik einzuspielen. Ich brauchte etwas Beruhigendes. Etwas, bei dem ich mich heimisch fühlte. Mir war nach einer alten Volksweise. Ich durchsuchte das CD-Regal im Wohnzimmer und fand schließlich eine Piano-Version von Greensleeves .
Ich legte mich mit einem wohligen Gefühl aufs Bett im Schlafzimmer und las noch den Kultur-Teil der Tageszeitung. Die Tür ließ ich wieder angelehnt. Das Licht im Erdgeschoss war aus. Die Schranktüren hingegen hatte ich zugebunden gelassen. Ich hatte beschlossen, den Schrank vorläufig zu ignorieren und die Paketschnur erst aufzuknoten, wenn ich dafür hundertprozentig bereit war.
Es war nach elf Uhr, als ich das Licht löschte.
Zunächst glaubte ich, schon bald einschlafen zu können. Als es mir nicht gelang und die Musik schon längst verstummt war, war das noch kein Grund für mich, misstrauisch zu werden. Schließlich hatte ich die beiden Nächte zuvor reichlich Schlaf getankt.
Gegen halb zwei Uhr morgens lag ich immer noch mit geöffneten Augen da.
Ich versuchte mir vorzustellen, wie ich meinen Lebensabend in diesem Haus verbringen würde, wäre meine Familie intakt geblieben, aber es gelang mir nicht.
Dann überkam mich überraschend eine bleierne Schwere und ich fühlte plötzlich wie die Luft, welche ich durch die Nase einatmete, kälter wurde.
Schlagartig erhöhte sich mein Puls. Wie in Zeitlupe zog ich die Bettdecke höher bis zur Nase.
Nicht schon wieder! Bitte! Nicht schon wieder!, sprach ich laut im Gedanken, doch ich wurde nicht erhört.
Ich atmete tief durch die Nase ein, und stellte angstvoll fest, dass die Luft noch kälter geworden war.
Das bildest du dir nur ein! Das ist nichts anderes als deine kranke Fantasie!
Ich atmete aus und verzögerte das Wiedereinatmen solange, bis ich es nicht mehr unterdrücken konnte.
Die Luft war jetzt eiskalt. Ich kam mir vor, als läge ich in einem Kühlschrank.
Ich atmete jetzt in kurzer Frequenz und konnte meinen Puls an der Halsschlagader spüren.
Maximal neunzig Zentimeter Entfernung lagen zwischen mir und dem Lichtschalter meiner Nachttischlampe. Ich wagte es nicht, meinen Arm unter der Bettdecke hervorzustrecken, weil ich mich vor einem undefinierbaren Grauen fürchtete, das nach meiner Hand schnappen könnte. Ich war buchstäblich gelähmt vor Angst.
Die Luft blieb eiskalt, und ich lag mit wachsamen Augen minutenlang im Dunkeln. Es gab kein Geräusch. Nur Kälte und Finsternis.
Ich war kurz davor, allen Mut zusammenzunehmen und mich aus meiner Lähmung zu befreien, um nach dem rettenden Lichtschalter zu greifen, da reifte in mir allmählich das bedrückende Gefühl, dass ich im Schlafzimmer nicht mehr alleine war.
Ich konnte nichts sehen, nichts hören und nichts riechen. Und doch spürte ich eine Präsenz. Es war, als ob ein sechster Sinn, der jedem Menschen innewohnt und seine Existenz lebenslang verheimlicht, aktiviert wurde und mich warnte.
Und dann hörte ich etwas. Nicht mit meinen Ohren, sondern in meinem Kopf. Es war weniger als ein Flüstern und mehr als ein Säuseln. Ich hörte es in mir
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