Geisterzorn: Der Fluch von Lost Haven (German Edition)
die Gedanken bei der Suche nach etwas Passendem, das ich hätte sagen können.
Mr. Beaver schwieg weiterhin.
»Ich war völlig schockiert, als ich es erfahren habe. Wie geht es Ihnen?«
Mr. Beaver drehte sich auf seinem Stuhl ein wenig zur Seite, damit der Bildschirm aus seinem Sichtfeld verschwand. »Um mich müssen Sie sich keine Sorgen machen, Mr. Rafton. Aber danke, dass Sie sich nach mir erkundigen. Das tun nicht viele.«
Ich blickte ihn fragend an, als mir einfiel, dass er meine Gesichtszüge sehr wahrscheinlich gar nicht erkennen konnte.
»Die Menschen hier trauern und fühlen alle mit Ihnen«, sagte ich.
Mr. Beaver lächelte verbittert. »Nicht alle, Mr. Rafton. Ich denke, das muss ich Ihnen nicht erzählen.«
Ich nickte. Mrs. Danvers und ihre Grauen Witwen hatten, wie es aussah, schon ganze Arbeit geleistet.
»Sie trifft keine Schuld, Sir«, sagte ich eindringlich.
Der alte Mann zeigte keine Reaktion.
»Ich meine es so wie es gesagt habe«, ergänzte ich.
Mr. Beaver klappte das große Buch auf dem Lesegerät zu und sah mich wieder an. Diesmal mit Trauer in den Augen. »Schon gut, Mr. Rafton. Es ist sehr freundlich von Ihnen, dass Sie das sagen. Aber nehmen Sie es mir bitte nicht übel, dass ich nicht mehr darüber sprechen will. Das betrifft nur mich ganz allein. Und bevor sie mir widersprechen, dass ich nicht allein wäre und dass Sie jederzeit für mich da sein würden, wenn ich einmal jemanden zum Reden bräuchte, dann ist das eine höfliche Geste von Ihnen, die ich zu schätzen weiß. Aber unter uns, Mr. Rafton: Sie wissen, dass man mit seiner Trauer ganz allein ist. Ich glaube sogar, Sie sind einer der ganz wenigen Personen in diesem Ort hier, die das verstehen. Und deshalb weiß ich auch, dass sie meinen Wunsch respektieren werden. Sie sind nicht wie die anderen. Ich weiß, Sie haben Melissa sehr gemocht und es war offensichtlich, dass sie Sie vergöttert hat. Sie waren ein großes Vorbild für sie. Sie hat immer von Ihnen gesprochen. Deshalb möchte ich Ihnen das hier geben«, sagte er und zog einen Stapel Papiere unter dem Tisch hervor.
»Das«, fuhr er fort, »ist Melissas Skript für ein Buch, an dem sie geschrieben hat. Ich habe es für Sie ausgedruckt. In Ihrem Abschiedsbrief hat sie zwar nichts erwähnt, aber ich glaube, sie hätte nichts dagegen, wenn ich es Ihnen gebe. Ich wüsste sonst niemanden, der ernsthaft damit etwas anfangen könnte. Hier nehmen Sie!«, sagte er und hielt mir den Stapel hin.
Ich schaute mit einer Mischung aus Rührung und Entsetzen auf den losen Stapel Papiere, konnte mich jedoch nicht überwinden, ihn zu ergreifen.
»Mr. Rafton«, sagte der alte Mann in einem väterlichen Ton. »Bitte! Nehmen Sie ihn! Sie würden mir damit eine Freude machen. Ich lese zwar viel, aber vom Schreiben habe ich keine Ahnung. Sie können am besten beurteilen, wie wichtig Melissa diese Seiten waren. Niemand außer mir würde es je gelesen haben. Es ihr kleines Vermächtnis für uns. Sie dürfen es nicht ablehnen.«
»Gut«, murmelte ich und nahm den Stapel in beide Hände.
»Danke«, fügte ich unsicher hinzu.
Eine Weile lang stand ich wie angewurzelt da und blickte auf die Blätter in meinen Händen herab.
»Ist noch etwas, Mr. Rafton?«
Ich war irgendwo weit weg mit meinen Gedanken und musste mich zusammenreißen, um mich auf Mr. Beaver Stimme zu konzentrieren.
»Äh, nein, nein. Es ist alles nur ein wenig merkwürdig in letzter Zeit.«
»Was meinen Sie damit?«
»Es geschehen seltsame Dinge. Ach, Entschuldigung, ich rede nur Unsinn. Hören Sie gar nicht auf mich.«
»Sie sehen merkwürdige Dinge?«
»Das habe ich nicht gesagt. Vergessen Sie einfach, was ich gesagt habe. Ich bin in letzter Zeit ein wenig zerstreut«, sagte ich hastig und machte Anstalten, mich zu verabschieden.
»Das überrascht mich nicht«, sagte Mr. Beaver.
»Sir?«
»Dass hier merkwürdige Dinge geschehen. Was mit Melissa geschehen ist.«
»Mit... mit Melissa?«, stotterte ich.
»Sie spüren es doch auch, Mr. Rafton. Unheilvolle Dinge gehen vor sich.«
Ich schüttelte nur entgeistert den Kopf.
Er beugte sich ein Stück zu mir vor, um mir ein Geheimnis anzuvertrauen, das die Angestellte im Hintergrund nicht hören sollte.
»Ich weiß, was hier vor sich geht«, flüsterte er mir zu.
Mit angsterfüllten Augen sah ich den alten Mann in sein fahles Gesicht. Egal, was er mir sagen wollte, ich wusste, dass ich es nicht hören wollte. Ich war gerade dabei, einen Schlussstrich unter die
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