Geisterzorn: Der Fluch von Lost Haven (German Edition)
persönlich, der mich bedroht hatte. Ein wütender Geist ja, aber nicht der Tod selbst. Soviel Verstand besaß ich noch, um das auszuschließen.
Wie gerne hätte ich glauben können, das Märchen auf dem Lesegerät von Mr. Beaver und meine in Blut geschriebenen Worte an der Schlafzimmerwand wären reiner Zufall gewesen. Es war aber kein Zufall. Nur die Bedeutung wollte sich mir nicht erschließen. Es war eine Warnung, die ich selbst als Botschaft hinterlassen hatte. Oder war es mehr als das? War es gar keine Warnung, sondern ein Blick in die Zukunft?
Untergangsfanatiker hätten wohl ihre helle Freude an meiner kryptischen Botschaft gehabt. Die letzten Tage der Menschheit, oder dergleichen.
Nein, das wollte ich nicht glauben. Ich war kein Seher, der seine Prophezeiungen während des Schlafs an eine Wand pinselt. In einer für mich nicht nachvollziehbaren Weise betraf es mich. Mich ganz allein.
Das Gefühl, dass weiteres Unheil über mir heraufzog, wurde immer stärker. Und das obwohl sich die letzten Tage doch nichts mehr ereignet hat.
Ich könnte das, was heute bei Beaver’s Books geschehen ist, einfach als eine weitere Kuriosität in meinem aus den Fugen geratenen Leben betrachten. Doch ich musste immer wieder an dieses verfluchte Märchen denken.
Gevatter Tod nimmt den Sohn, das dreizehnte Kind, unter seine Fittiche und will ihn zu einem berühmten Arzt machen. Mit einem Trick: Der Tod kann sehen, ob jemand nur krank ist oder sterben wird. So stellt er sich im Falle eines Menschen, der nur krank ist, aber wieder gesund werden kann, an das Kopfende dessen Bettes. Seinem Schützling zeigt der Tod ein Kraut, mit dem die Kranken geheilt werden können.
Wird der Mensch dagegen sterben, so stellt er sich an das Fußende des Bettes.
Auf diese Weise wird der einstige Knabe ein gefragter Arzt.
Doch eines Tages erkranken ein König und seine schöne Tochter. Wer beide zu heilen vermochte, dem wurde versprochen, der Gemahl der Tochter zu werden.
Berauscht von dem Gedanken, die Tochter heiraten zu dürfen, verabreicht der Arzt zuerst dem König das heilende Kraut, obwohl der Tod zu dessen Füßen gestanden hatte.
Der Trick: Der Arzt drehte einfach den König im Bett herum, so dass der Tod nicht mehr bei den Füßen stand.
Der Tod sieht es ihm zunächst nach, weil er sein Pate ist.
Als der Arzt dann aber auch der zum Tode verurteilten Tochter das Kraut verabreicht, begeht er einen folgenschweren Fehler:
In einer Höhle zeigt der Tod dem Arzt die Lebenslichter der Menschen. Dasjenige vom Arzt ist am Erlöschen und der Arzt bittet den Tod, ein neues aufzusetzen. Der Tod tut so als würde er dem Wunsch des Arztes nachkommen, stößt dann jedoch das alte Lebenslicht des Arztes um und es erlischt. Und der Arzt stirbt.
So ähnlich muss die Geschichte gewesen sein.
Und hier komme ich zu dem, was mir so viel Angst einflößt: In der zweiten Nacht, als mich dieses Ding, der Poltergeist, heimgesucht hat, konnte ich gerade noch verhindern, dass er in mein Schlafzimmer eindringt. Doch was war in der ersten Nacht geschehen? Der Nacht, in der die Tür einen Spalt offengestanden hatte, nachdem ich erwacht war und einen dunklen Schatten hinter dem Türspalt verschwinden sah?
Dieses Ding war in meinem Zimmer, während ich schlief, da gab es keinen Zweifel. Die Frage war nur:
An welchem Ende meines Bettes hatte dieses Ding gestanden?
4
Das Klingeln meines Handys holte mich aus meinem düsteren und an Aberwitz grenzenden Gedanken heraus. Das blöde Teil hatte ich oben im Schlafzimmer liegen lassen. Ich eilte hinauf und fluchte: »Mist!«, als ich sah, wer da anrief. Es war Beverly. Vor einer halben Stunde wollte ich sie besuchen. Wieder einmal hatte ich die Zeit vergessen.
»Beverly?«, sagte ich, als ich die grüne Taste gedrückt hatte.
»Irre ich mich oder hatten wir vier Uhr gesagt?«, kam es vorwurfsvoll aus dem Hörer.
»Nein, du irrst dich nicht. Ich... habe es nicht vergessen. Ich habe nur...«
»Es vergessen«, fiel sie mir ins Wort. Ich konnte ihre Schlagfertigkeit manchmal wirklich nicht leiden.
»OK. Ich hab geschlafen.« Eine doofe Ausrede.
»Geschlafen?«
»Ja.«
»Eine bessere Ausrede hast du wohl nicht.«
»Beverly, was soll ich sagen? Es tut mir Leid.«
»Schon gut. Mach dir mal nicht ins Hemd. Ich habe dich nur ein wenig aufgezogen. Ich bin selber gerade erst nach Hause gekommen. Du hättest hier vergeblich darauf gewartet, dass dir jemand die Tür öffnet.«
»Puh! Da habe ich ja
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