Gejagt
euch.« Mit einem Arm hängte ich mich bei Darius ein, den anderen breitete ich aus, als wollte ich jemanden in die Arme schließen. Sofort spürte ich, wie die Elemente mich und hoffentlich auch Darius umfluteten. »Geist, ich bitte dich, verhüll uns … verbirg uns … lass uns mit der Nacht verschmelzen. Wasser, tränke die Luft um uns, lass uns verschwimmen und unsichtbar werden. Feuer, dich brauche ich nur ein bisschen – nur damit das Eis schmilzt und zu Nebel wird. Aber nicht nur um uns«, fügte ich schnell hinzu. »Mach das auf dem gesamten Schulgelände. Lass alles neblig und undurchdringlich und verzaubert aussehen.« Ich musste lächeln, als ich spürte, wie die Elemente vor Ungeduld brannten, ihre Aufgaben zu erfüllen. Dann nickte ich Darius zu. »Gut. Los.« Er öffnete die Tür, und umspült von einer Woge aus Wind, Geist und Feuer traten wir hinaus in den Eissturm.
In einer Hinsicht hatte ich völlig recht gehabt: das Wetter war eklig. Als ich aus dem warmen, trockenen Zimmer rausgeschaut hatte, hatte es mir definitiv besser gefallen. Schon vorher war es schlecht gewesen, doch als jetzt die Elemente meinem Befehl gehorchten, verstärkte sich der Sturm noch. Ich sah mich um, ob uns irgendwelche Rabenspötter erspäht hatten, aber die Elemente leisteten ganze Arbeit, es war, als bewegten Darius und ich uns mitten in einer wirbelnden, frostigen Schneekugel. Eis und Wind machten den Weg so unsicher, dass ich beim ersten Schritt schon auf die Nase gefallen wäre, hätte nicht Darius die Reflexe einer Katze besessen und es irgendwie geschafft, uns beide auf den Beinen zu halten.
Was mich an etwas erinnerte. Während wir so schnell und zugleich so vorsichtig wie möglich den gefrorenen Fußweg entlangeilten, in den plötzlich aufgestiegenen Nebel gehüllt, die Köpfe gegen den eisigen Ansturm des Windes eingezogen, sah ich nicht eine einzige Katze. Okay, klar, das Wetter war scheußlich, vor allem nachdem ich damit herumgespielt hatte, und Katzen können Feuchtigkeit nicht leiden, aber ich konnte mich nicht erinnern, in all den Monaten, die ich im House of Night verbracht hatte, je auf dem Gelände gewesen zu sein und nicht mindestens ein, zwei Katzen gesehen zu haben.
»Es sind keine Katzen da«, sagte ich.
Darius nickte. »Schon bemerkt.«
»Und was heißt das?«
»Nichts Gutes.«
Aber ich hatte keine Zeit, mir Gedanken darüber zu machen, was die Abwesenheit der Katzen bedeutete (und mir Sorgen zu machen, wo wohl Nala war!). Denn der Energieaufwand machte sich schon wieder bemerkbar. Ich musste all meine Kraft und Konzentration darauf lenken, meinen drei Elementen Geist, Feuer und Wasser fortwährend wie eine Litanei zuzuflüstern: »Wir sind die Nacht. Versteck uns, Geist der Nacht … hüll uns in Nebel … Wind, weh unseren Feinden in die Augen, damit sie uns nicht sehen …«
Wir waren fast am Ziel angekommen, als ich die Stimme des Mädchens hörte. Was sie sagte, war nicht zu verstehen, aber so nervös und schrill, wie sie klang, war da definitiv etwas nicht in Ordnung. Daran, wie Darius’ Arm sich anspannte und er die Augen anstrengte, um die Elementsuppe um uns herum mit dem Blick zu durchdringen, merkte ich, dass auch er es gehört hatte.
Als wir näher kamen, wurde die Stimme zunehmend klarer und lauter, und die Worte wurden verständlich.
»Nein, wirklich! Ich – ich will einfach nur in mein Zimmer«, sagte das verängstigte Mädchen.
»Kannst du auch. Wenn ich mit dir fertig bin.«
Ich erstarrte, und auch Darius blieb stehen Ich hatte die Stimme des Jungen erkannt, noch bevor das Mädchen ihm antwortete.
»Bitte, nicht jetzt, Stark. Vielleicht können wir –« Sie brach abrupt ab. Ein kleiner Schrei war zu hören, der in einem Keuchen endete, und dann war da ein ekelhaft feuchter Laut, und schließlich begann das Stöhnen.
Zwanzig
D arius eilte weiter und zog mich mit. Wir erreichten die kleine Treppe, die zum Eingang des Mädchentrakts hinaufführte. Sie bestand aus wenigen breiten Stufen mit einem hüfthohen, ebenfalls abgestuften Geländer, auf dem man wunderbar sitzen und mit seinem Freund flirten konnte, der einen bis an die Tür begleitet hatte, bis man sich mit einem Kuss verabschiedete.
Der Anblick, der sich uns jetzt bot, war ein groteskes Zerrbild eines solchen Abschiedskusses. Es hätte so aussehen können, als umarmte Stark zärtlich ein Mädchen, wäre uns nicht klar gewesen, dass sie, unmittelbar bevor er ihr die Zähne in den Hals geschlagen hatte,
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