Gejagte der Nacht
Ihr noch immer einen Zweck?«
Das schmale Gesicht war verschlossen und nicht zu enträtseln. »Mein Befehl besteht darin, den Werwolf zum Fürsten der Finsternis zu bringen.«
O Götter! Kassandra warf einen Blick über die Schulter zu Caine, der ganz offenkundig aufgeregt hinter der Barriere hin und her lief. In seinen Augen loderte blinde Gewalt. Wenn der Fürst der Finsternis ihn haben wollte, dann konnte das nichts Gutes zu bedeuten haben.
»Aus welchem Grund?«
»Er hat das Kind.«
Da Kassie so ganz und gar erfüllt von ihrer Angst um Caine war, dauerte es einen Augenblick, bis sie das volle Ausmaß der Worte des Vampirs erkannte.
Das Alpha.
Es war hier, obwohl sie versucht hatte, Styx eine Warnung zukommen zu lassen. Bedeutete das, dass alles verloren war?
»Und durch den Nebel wieder vereint …« , zitierte sie wie betäubt.
Gaius nickte. »Ganz genau.«
Kassandra bemühte sich, nicht in Panik zu geraten. Es konnte nicht zu spät sein. Sie weigerte sich, sich geschlagen zu geben.
Endlich konnte sie ihre steifen Lippen zwingen, sich zu bewegen. »Sie ist zu den Zwillingen geworden?«
Gaius hob eine Schulter und richtete den Blick wieder auf Caine. »Die Zeremonie wird vollendet werden, sobald sie über ein geeignetes Opfer verfügt.«
Kassandras Körper verkrampfte sich. Nein. Nein. Nein. Sie trat direkt zwischen den Vampir und Caine und bereitete sich auf einen Kampf auf Leben und Tod vor.
Auf gar keinen Fall würde der Fürst der Finsternis Caine dazu benutzen, seine perversen Horden auf die Welt loszulassen.
»Nein.«
Gaius wandte seine Aufmerksamkeit wieder Kassandra zu und forschte mit seinen dunklen Augen in ihrer entschlossenen Miene. »Diese Entscheidung ist nicht die Eure.«
»Vielleicht, aber denkt Ihr tatsächlich, Ihr könntet uns beide besiegen?«, bluffte sie.
»Ich bin nicht machtlos.«
Sie stellte sich breitbeinig hin und spannte die Muskeln an. Sie war angriffsbereit. »Ich ebenso wenig.«
Der Vampir wirkte eher neugierig als verärgert durch ihre Aufsässigkeit. »Ihr hegt die Absicht, ihn zu schützen, obgleich er gerade versucht hat, Euch zu töten?«
Kassie zögerte nicht mit ihrer Antwort. »Natürlich. Was tätet Ihr, um Eure Gefährtin zu schützen?«
Die verzweifelte Trostlosigkeit kehrte in die dunklen Augen zurück, als Gaius offenbar von einer unwillkommenen Erinnerung überfallen wurde. »Meine Seele verkaufen.«
Kassandra machte einen zögernden Schritt vorwärts. Ihre vage Hoffnung war zurückgekehrt, als sie gemerkt hatte, dass der Vampir durchaus Gefühle besaß. Ein Wesen, das zu dermaßen tiefen Empfindungen fähig war, konnte nicht durch und durch böse sein.
»Ich bin nicht die Einzige, die sich zwischen Pest und Cholera entscheiden muss, nicht wahr?«, fragte sie sanft.
Er erstarrte, als er verspätet erkannte, dass er mehr verraten hatte, als es seine Absicht gewesen war. »Es ist zu spät.«
»Es ist nie zu spät.« Sie machte noch einen weiteren Schritt auf ihn zu. Ihr Gesicht hatte einen unverkennbar flehenden Ausdruck angenommen. Was interessierte sie ihr Stolz? Sie würde auf allen vieren kriechen und dem verdammten Vampir die Füße küssen, wenn er seine Kräfte dazu nutzen konnte, sie aus dem Nebel hinauszubringen. »Helft uns.«
Er stieß ein kurzes, humorloses Lachen aus. »Ihr glaubt, ich könne mich nach all diesen Jahrhunderten noch bessern?«
Glaubte sie das?
Kassandra schnitt eine Grimasse. Weshalb hatte sie ihre Fähigkeit zu lügen nicht verfeinert? Es kam ihr vor, als müsse sie jedes Mal, wenn sie sich umdrehte, die eine oder andere Schwindelei zum Besten geben.
Jetzt konnte sie nur mit den Schultern zucken und der Wahrheit ausweichen. »Meine Vision versprach Hoffnung. Für uns alle.« Sie streckte eine schlanke Hand aus, und plötzlich lief ihr ein Schauder über den Rücken. »Bitte.«
Ein langes Schweigen breitete sich aus. Kassie war gezwungen, sich auf die Zunge zu beißen, da ein starkes Gefühl der Dringlichkeit sich in ihr ausbreitete. Irgendetwas näherte sich ihnen. Etwas Schlimmes.
Aber Gaius war bereits nervös genug, ohne dass sie ihn auch noch drängte.
Nach einer gefühlten Ewigkeit stieß er schließlich einen leisen Fluch aus. »Das werde ich zwangsläufig bereuen.«
Kassandra blieb keine Zeit, um Erleichterung zu empfinden. Nicht wenn das intensive Gefühl herannahenden Unheils so drückend in der Luft lag, dass sie kaum noch atmen konnte.
»Könnt Ihr uns von hier fortbringen?«, fragte sie mit
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