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Gekehrte Straßen oder einfach nur darauf gespuckt (German Edition)

Gekehrte Straßen oder einfach nur darauf gespuckt (German Edition)

Titel: Gekehrte Straßen oder einfach nur darauf gespuckt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Svetlana Sekulic
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er einen skeptischen
Blick aus dem verschlossenen Fenster gewagt hatte. Etwas stimmt
nicht; aber ob es mit seinem Kopf, mit seinem Hinterkopf zusammen
hing, das bezweifelte Nicola, bei aller Klarsichtigkeit, die ihm noch
blieb. Er wusste schon, dass er keinen schön geformten
Hinterkopf hatte, dass ihm ein Kurzhaarschnitt nicht stehen würde
und er deswegen lange Haare trug, die zu einem Pferdeschwanz gebunden
waren, aber das wäre jetzt Blödsinn, sein ungutes Gefühl
auf seine Hinterkopfform zu übertragen Er stand noch lange vor
dem verschlossenen Fenster und überlegte, ob er die Vorhänge
zuziehen sollte, da es zu hell ins Zimmer herein schien, er heute
nicht zum Kartenspiel gehen konnte und es sicherlich das Beste wäre,
er würde die Vorhänge wieder zuziehen, nachdem er gestern
sehr spät nach Hause gekommen sein musste und sich sehr lange im
Wirtshaus aufgehalten gehabt hatte. Nicola zog die Vorhänge zu.
Die einkehrende Dunkelheit erschrak ihn nicht wirklich. Er drehte
sich um, blickte benebelt auf seine Bettdecke und erinnerte sich an
nichts. Weder, wie er in das Gasthaus eingekehrt war, noch wie er da
wieder herauskam. Es kam ihm nur zu Bewusstsein, dass er viele Rubel
im Spiel verloren hatte, er auf der Straße ausgelacht wurde,
während er im Regen nach Hause lief, er es der Arbella bald
besorgen wollte und seine Olga wild herum brüllte, als er
klatschnass in der Wohnung angekommen war. Er überlegte, weshalb
sie so durcheinander war und ob er vielleicht das Klo verfehlt und
daneben gepinkelt hatte. Er schaute an sich herab. Er entdeckte sich
in feuchten, stinkenden Klamotten wieder und schritt nachdenklich auf
die Wand schräg gegenüber, um mit einer skeptischen Falte
auf der Nasenstirn und einer dunklen angehobenen Augenbraue vor dem
kleinen Rasierspiegel zu blicken. Er sah nichts. Nichts, was von
belang gewesen wäre oder darüber Aufschluss zu geben
vermochte, was ihn innerlich so beunruhigte. Nicola versuchte sich an
den gestrigen Abend krampfhaft in Kooperation seiner intakten, noch
nicht abgestorbenen Gehirnzellen zu erinnern, dass ihm weiterhelfen
könnte, ihn das ungute, ungewöhnliche Gefühl in einer
simplen Erklärung fassen lassen zu können. Es war, als
stünde sein Körper neben ihm, als wäre er selbst
außerhalb von sich selbst, deswegen das nicht komplette Gefühl,
ja, sicherlich nur deswegen.

    Was
war gestern? Gestern war anders als das Heute.
    Gestern
musste etwas Außergewöhnliches passiert sein, denn nichts
war so, wie es sonst war, auch war alles so wie bisher, bis zu dem
Zeitpunkt, als er zu Hause ankam und sich später schlafen legen
wollte. Nicola ging erneut zum Fenster, als ob draußen die
Antwort geschrieben stand. Er zog die Vorhänge wieder auf. Er
versuchte sich zu erinnern. Er rückte den Stuhl zurecht und nahm
darauf Platz. Sein Blick schweifte im Zimmer umher, so als ob hier
irgendwo die Lösung zu finden gewesen wäre. Und da war sie
auch gefunden, die Lösung lag einfach da. Die Erklärung,
die Lösung all seiner Fragen. Ein Brief, ein Stück weißes
Papier auf dem Boden, direkt vor seinem Bett, direkt vor seinen
Füßen. Er zündete sich eine Zigarette an. Jetzt nur
nichts überstürzen. Er dachte nach. Er dachte darüber
nach, was gestern vorgefallen war und wie es dazu kommen konnte, so
wie es gekommen ist. Sogleich hielt er das Stück Papier in den
Händen. Ein Kuvert. Was stand darauf? Sein Name. Sein Name stand
darauf geschrieben. Nicht mehr und nicht weniger. Nicht mehr auf der
Vorderseite. So bekannt und beliebt war er mit Sicherheit nicht, dass
mehr darauf hätte stehen können. Vielleicht sein Name
umrahmt von Blümchen und Herzchen. Vielleicht hat ihm die
Arbella geschrieben. Vielleicht war das sozusagen eine Einladung.
Vielleicht sogar ein Heiratsantrag. Die Frauen von St. Petersburg,
die sind reifer und selbstbewusste geworden, sagte sich Nicola. Alles
wäre denkbar. Er musste sichtlich Eindruck geschunden haben bei
der Kellnerin. Das hätte er sich gleich denken können, dass
sie von all den dummen Affenheinis die Nase voll hat und sofort auf
ihn abgefahren ist und gedenkt ihn zum Gemahl zu nehmen. So ein
junges Ding. Die weiß, was sie will. Auf der Rückseite
stand auch ein Name. Aber es stand nicht der Name von Arbella darauf.
Es war ein ganz anderer. Seine Hände zitterten. Seine schmalen
Lippen fingen an zu beben. Er würde den Brief sofort öffnen
und würde es sich doch nicht trauen. Olga steht plötzlich
vor ihm. `Ach ja, da war ein junger

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