Gekehrte Straßen oder einfach nur darauf gespuckt (German Edition)
und
spielt weiter mit den Karten und verliert einmal und gewinnt einmal
und die Jahreszeiten wechseln sich im selben Takt, genau so, wie er
seine Bettwäsche und seine Weiber in immer demselben Takt
wechselt. Und so wird Nicola nie wirklich erfahren, dass Leila und
Fjodor Jahr für Jahr tatsächlich vor diesen Kneipenfenstern
standen und hineinschauten. Stets einmal in einem jedem Jahr, genau
zu Fjodor´s Geburtstag sich auf die Suche nach ihm machten und
ihn in einer seiner Kneipen der Stadt auch fanden. Nicola wird es
niemals erfahren, weil er nicht danach fragen wird. Er wird sich
nicht erhoben haben und nicht die Tür des Gasthauses hinter sich
für immer geschlossen haben, sich nicht vor Leila und Fjodor
hingestellt haben, sie nicht in die Arme genommen haben und sie
niemals fragen, was sie draußen in der Kälte alleine denn
machen und er wird sie nicht hereingebeten haben, nicht in das
Gasthaus hinein und auch nicht in seine eigene verruchte Welt hinein.
Und so wird Nicola von seinem Sohn nie erfahren, wie sehr sich dieser
freute und die Hoffnung noch mit sich trug, dass alles gut gehen
würde und wie sehr er weinte, wenn sie sich nicht erfüllte,
wenn er vor dem Fenster mit Mutter stand, selbst zu klein war, um
hinein zu blicken, aber es ihm genug war, in dem Gesicht der Mutter
zu schauen, dass das ganze Elend und die Traurigkeit widerspiegelte
und er ihren zarten Körper beobachte, wie er zitternd vor dem
Fenster stand und aber so sehr hoffte, Nicola würde sie
entdecken und zu ihr zurückkommen. Aber die Jahre zogen vorüber
und er kam nicht zu ihr heraus und nicht zu ihr zurück. Und
Fjodor wuchs von Tag zu Tag und von Jahr zu Jahr und eines Tages
konnte er mit seiner Mutter durch das Fenster in das Gasthaus hinein
blicken. Und von diesem Tag an, nahm er die Hand seiner Mutter und
führte sie weg von diesem Fenster, ganz weit weg von ihren
Hoffnungen und dem Glauben an die große, wahre Liebe. Nicola
bemerkte von alle dem nichts. Angeblich. Angeblich schien er von all
dem nichts zu bemerken und nichts zu befürchten. Denn keiner
außer ihm selbst wusste, dass er sich von seinem Stuhl erhob
und zu dem Fenster ging und hinaus blickte, wenn das Gesicht von
Leila schon lange nicht mehr sichtbar gewesen war. Und keiner
vermutete, wie es ihm das Herz zerriss, so dass er diesen Sprengstoff
in sich hinaus zu brüllen versuchte, egal, ob mit einer Flasche
in der Hand oder auch mit nichts im Kopf, aber so voll mit Schmerz in
seinem Herzen und er redet in diesem Moment mit dem Fenster vor ihm
oder auch mit der Tür oder der Wand vor ihm und er brauchte
keinen Zeugen dafür, denn nur er selbst wusste, dass ihn niemand
außer ihn selbst vernahm:
`Umarme
mich meine Liebe. Sei nicht traurig, nicht heute und morgen noch
weniger. Was macht das schon. Eines Tages wirst du mir für immer
gehören. Wie eine Spinne werde ich dich umgarnen, umwerben,
umhüllen, danach aussaugen und erlösen, von dem Guten, dem
Hoffnungsvollen. Komm zu mir, lauf mir nicht davon, meine Liebe,
glaube an mich, denn ich bin die Angst, die dich einholt und
überholt. Ich bin schneller und stärker als du, mein Engel.
Habe keine Angst, nicht vor der Zukunft, nicht vor dem Jetzt.. Nicht
davor, dass es so sein wird, wie bereits einmal gewesen. Wehrlos,
verwahrlost, machtlos. Eingeholt, überholt, Wiederholung.
Vorneweg dasselbe Dilemma. Angstzustände, Trauma, Abgang. Du
mittendrin, ahnungslos. Es ist nicht vorbei. Bestürzung,
rastlos. Habe ein Schädeltrauma, vorübergehend. Die
Hoffnung in einer Versenkung der Irritation. Als Druckmittel das
Pflaster voll Blut. Das Fleisch stirbt den Tod. Eingehüllter Tod
in Lebensmittelverpackung. Die Konservierung als Einfrierung der
Lebenskonsistenz. Die Starre als Beklemmung in der Befreiung. Ein
Tatendrang, sehr tatenlos als Außenseiter. Der Mörtel der
Verdammnis. Eine Verteufelung. Aus, Ende, Vorbei und tschüss bis
zum nächsten mal, auf ein neues Altbewährtes. Ich fühle
mich dem Wahnsinn nah.´ Nicola führt die Flasche zu seinem
Mund und geht zurück. Zurück zu seinem Tisch, zurück
zu seinem Stuhl. Zurück in seine kleine, verlogene Welt. Er wird
sich hinsetzen und weiter spielen und weiter reden und weiter
trinken, als wäre nie etwas gewesen und wenn er noch ein wenig
klaren Verstand hat, dann bemerkt er ab und an, wieviel Unrecht er
seiner Leila antat und dass es nie wieder ein Zurück geben kann.
Dass er nicht loskommt vom Alkohol, von den Karten, von der Hölle.
Dass er all das nicht aufgeben
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