Gekehrte Straßen oder einfach nur darauf gespuckt (German Edition)
viele Jahre waren sie zusammen,
und hatten alles mitgemacht, was das Leben ihnen anbot mitmachen zu
müssen. Und niemals hatte er daran gedacht, dass es damit
aufhören könnte. Niemals hatte er an ein Ende denken
können. Alles musste einfach so weitergehen und niemand hatte
älter und alt zu werden und ein Niemand konnte dermaßen
abbauen, körperlich als auch geistig und am Ende von schweren
Erdballen beschmissen zu werden. Es wollte ihm einfach nicht
begreifen, wie es sein konnte, dass die Natur es so einbaute in
seinem Lebenszyklus, dass ein Mensch sich dermaßen verändert.
Er machte sich Vorwürfe, denn hätte er schon früher
darüber nachgedacht, so hätte er sich zu Lebzeiten von Babu
bemüht ihr eine Kutschenfahrt mit sechst schwarzen Pferden zu
spendieren, hätte ihr dieses und jenes geschenkt, weil er darum
wusste, dass es eines Tages vorbei sein würde und er ganz
alleine auf der Welt sein würde, dass ein Niemand ihn mehr mit
einem Brei bekocht oder mit sonst etwas. Ein Niemand würde ihm
übers Haar streichen und ihm russische Lieder vorsingen, bis
dass seine Äuglein müde geworden sind und seine Probleme
von ganz alleine aus seinem Kopf verschwanden. Ein Niemand würde
eine frische Tischdecke auf das Tischchen werfen auf dem eine heiße
Milch mit zerschmolzenem Honig auf ihn wartete. Niemand ist mehr da
und er hatte nicht mehr die Möglichkeit auf Babu zu warten und
sie dankbar anzuschauen und er wusste, dass das genug für Babu
war, dass sie nicht mehr brauchte, als seine dankbaren Worten, die
viel mehr sagten, als viele dahin gesprochene Wörter. Und so
verstanden sich beide und das von Anfang an und bis zum Ende. Und wie
gerne würde er die Zeit zurückdrehen, aber nicht, um irgend
etwas anders zu machen, sondern einfach um all das wieder zu erleben
und sie für immer anzuhalten. Es dürfte kein Weiter geben.
Es müsste im Leben eines jeden Menschen einen Knopf geben,a uf
dass er ihn einmal in seinem Leben drücken könnte, auf das
die Zeit darauf hin anhält, nicht mehr weiter läuft und
sich nichts mehr verändert. Ein jeder dürfte über
diesen Augenblick selbst entscheiden, nur müsste er sich
entscheiden, ehe es zu spät ist. Nicola hätte diesen Punkt
seines Lebens da angehalten, als er in den Armen von Babu lag, sie
ihm vorsang, ihm über den Kopf streichelte und er nebenher heiße
Milch hinunterschluckte. Das wäre der erste Punkt in seinem
Leben gewesen. Dann aber hätte er niemals Leila kennengelernt
und niemals Fjodor erlebt. So gesehen ließ er sein Leben dahin
gleiten und war dankbar nicht entscheiden zu müssen, denn wie
immer hätte er sich falsch entscheiden und hätte alles nur
falsch gemacht. Er war froh sein Leben so gelebt zu haben ohne aber
sehr traurig zu werden, wenn er an die Beerdigung von Babu dachte und
an den Blick von Leila, wenn sie in das Kneipenfenster sah und die
Tränen rannten ihm nur so über die Wangen, als er an den
Blick von seinem Sohn dachte, der ihn damals vor der Tür
vereinnahm und nicht von seiner Ziehharmonika lassen konnte und er
bis heute das Lied seines Kindes in seinem dümmlichen Kopfe
hörte. So spürte er unvermeidlich, dass dasselbe auch ihm
zukommen würde, wenn es denn soweit sein sollte. Es würde
ihn nichts mehr großartiges im Leben ereilen und er machte sich
auch nicht die Mühe, dass ihn noch irgendetwas ereilt. Er war
zufrieden mit dem was er hatte und war auch unzufrieden und ob
zufrieden oder auch nur so geheuchelt, Hauptsache, er verhungerte
nicht und fror nicht. Alles andere war nicht mehr für ihn
relevant. Er verteilte keine Briefe mehr an niemandem und brauchte
keinem mehr Hoffnungen machen, denn er wusste sich als Versager und
konnte mit dieser Erkenntnis recht gut leben. Er machte nichts an den
allermeisten Tagen und überlegte, warum die Menschen so
aussehen, so wie sie aussehen. Und er fing an, die Menschen mit den
Tieren oder mit ihren Haustieren zu vergleichen. Er stellte amüsiert
fest, dass die Menschen viel Ähnlichkeit mit ihrem Hund zum
Beispiel hatten. Dass gewisse Ähnlichkeiten unvermeidbar waren
und sie sich deswegen gefunden und zusammen geschlossen hatten.
Manchmal konnte er mitten auf der Straße ein Lachen sich nicht
verkneifen, wenn eine kugelrunde Dame, mit Schlapphut auf dem runden
Kopf ihm erschien und diese einen Hund mit demselben kugelrunden
Gesicht und denselben Knopfaugen an der Leine hatte. Was für
eine Ähnlichkeit und das nicht nur bei dieser Dame. Eigentlich
nich t verwerflich, da wir alle dem
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