Gekehrte Straßen oder einfach nur darauf gespuckt (German Edition)
ein und demselben Ursprung
entstammen. Aber Nicola konnte sich in kein Tier verlieben. Warum
hätte er auch sollen. Er sah sich selbst auch keinem Tier
ähnlich. Manchmal fühlte er sich wie ein Hund. Aber nur,
weil er auf den Straßen herum irrte und des nachts den Mond
anhimmelte. Und bei dem Anblick des Mondes erinnerte er sich
unweigerlich an seine Leila. Er erinnerte sich daran, wie Leila
hochschwanger war und nicht mehr aus der Badewanne heraus kam, er ihr
zur Hilfe eilte, da ihm das Helfen noch nichts ausmachte und sie sich
beide auf dem nassen Badezimmerboden wälzten und sich darüber
kaputt lachten. Alles um sie herum war egal und völlig
gleichgültig. Nichts war von Relevanz und von Bedeutung, außer
sie selbst. Sie hatten sich und sie hatten ihre gemeinsame Liebe und
sie wurden selbst zu zwei Königskinder, gerade, weil sie sich
auf ein gemeinsames Leben und auf ihr gemeinsames Kind freuten. Und
dann trocknete er seine Leila ab und cremte sie mit Rosenmilch ein,
umwickelte sie mit gelben und mit lila farbigen Handtücher und
küsste dabei zärtlich ihren Bauch. Danach ging er in die
Küche, um ihr einen deftigen Bohneneintopf zu kochen, dass die
gesamte Wohnung nach angebratenem Speck und Bohnen roch und es noch
heißer und stickiger in der kleinen Wohnung wurde, obwohl
draußen bereits über dreißig Grad herrschten. Aber
das störte die Beiden nicht, denn sie waren Liebende und dankbar
für jeden Glücksmoment, den sie in ihren Händen
festhielten. Sie hielten ihr kleines Glück in der kleinen
gemeinsamen Wohnung gefangen und wollten es nie wieder herauslassen.
Aber so wie sich die Jahreszeiten ändern, so verändern sich
auch die Menschen. Sie werden reifer oder auch nur nachlässiger
und sie denken mehr über Dinge nach, worüber sie früher
nie nachzudenken pflegten. Und aus den Kindern werden nachdenkliche,
unzufriedene Erwachsene. Und die kleinen glückseligen Momente
werden immer seltener, aber keiner konnte so recht festmachen, woran
es lag und wann es damit begonnen hätte. Es stellte sich mehr
und mehr die Frage ein, ob alles so richtig ist, wie es ist. Es
traten Unsicherheiten auf, ob es anders nicht besser wäre und so
drang ihr kleines Glück nach draußen, flog davon und
kehrte nicht mehr zurück. Oder aber Nicola kehrte in die Kneipe
ein und kam nicht mehr zu Leila und dem Kind zurück. Und er
hörte auf, Briefe zu verteilen und er hörte auf, Hoffnungen
mit sich herum zu tragen. Und so verschwand das Glück für
immer aus Nicola´s Leben und mit ihm jegliche Hoffnung darauf.
Und so überlegte Nicola in klaren Augenblicken, was für ein
Mensch er eigentlich war, dass er so war wie er ist und was das zu
bedeuten hatte. Er überlegte dahin gehend, dass er eigentlich
ein sehr grausamer Mensch ist und nach außen hin nur brav und
anständig wirkte. Als er aber nun seine Ungeheuerlichkeit
preisgab, so musste er sich hinter Bravheit und Artigkeit nicht mehr
verstecken und konnte seine gesamte Erbärmlichkeit in vollsten
Zügen ausleben. Das machte ihn in dem Sinne nicht artiger, nur
fiel es ihm deutlich leichter so des morgens aufzuwachen und des
abends als ein Ungeheuer wieder ins Bett zu steigen. Und es lebte
sich deutlich genehmer ohne Verantwortung und ohne Rücksichtnahme.
Nicht einmal die Liebe vermisste er, denn er war sich seit
Kindestagen bewusst, nicht wert geliebt zu werden und somit war es
für ihn kein großer Verlust. Und so saß Nicola nur
noch alleine in seinem Zimmer, alleine mit sich und seinen düsteren
Gedanken. Er hatte keine Freunde und wenn er glaubte welche zu haben,
dann war es ein leichtes, sie mit seiner Düsterkeit wieder zu
vertreiben. Schon als Kind hatte er sich gefragt, warum er nie dabei
war, wenn ein Treffen oder sonstiges stattfand. Alle anderen waren in
einer Gruppe involviert, nur er blieb stets ungefragt. Und dieses
Nichtfragen blieb bestehen bis zum heutigen Tage. Wenn er denn mit
jemandem irgendwo hin wollte, musste er fragen, ob er mitkommen wolle
oder dabei sein durfte oder er musste sich von dem Teufel begleiten
lassen. Niemals wurde er von Mitschülern oder von Bekannten oder
Fremden angesprochen, ob er zu einer Feier oder sonstiges mitkommen
wollte. Es musste an seiner Art liegen, die entweder Angst oder
Gleichgültigkeit oder Neid auf sein Anderssein und seinem guten
Aussehen in jungen Jahren oder seiner Seltsamkeit bei seinen
Mitmenschen auslöste. Er wurde ignoriert und er ließ
dasselbe ihnen gegenüber aufkommen. Was zuerst da war, konnte
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