Geklont
sagte Catlin, nahm ihre Karte zurück und befestigte sie an ihrem Hemd. Florian bekam seine zurück.
»Für dich gilt dasselbe«, sagte der Azi.
»Ich frage mich, wieso«, meinte Florian, als sie wieder nach draußen gingen und sich nach Weiß begaben.
»Es hat keinen Zweck, sich darüber Gedanken zu machen«, erwiderte Catlin. Aber sie machte sich Sorgen, und sie ging schnell. Hin und wieder kostete es ihn zusätzliche Anstrengungen, mit ihr Schritt zu halten.
Die Sonne war schon vor einiger Zeit hinter den Klippen untergegangen. Der Himmel färbte sich rosa, und die Lampen würden brennen, bevor sie zurück sein konnten. Auf den Wegen und Straßen begegnete ihnen fast niemand, weil die meisten beim Abendessen saßen. Es war eine seltsame Zeit, um zur Bandbehandlung zu gehen. Er fühlte sich unwohl dabei.
Als sie die Klinik erreichten, nahm der Empfangsbeamte ihre Karten, las sie und sagte jedem, wohin er mußte.
Florian blickte Catlin nach, als sie in ihre Richtung davonging. Er hatte auf einmal Angst und wußte nicht, wovor oder warum, nur daß er ein Gefühl hatte, als sei er in Gefahr, und sie auch. Wenn man mit einem Band behandelt wurde, ging man tagsüber in die Klinik. Nicht wenn man eigentlich zu Abend essen sollte. Sein Magen war leer, und er hatte überlegt, ob dies vielleicht eine unangekündigte Übung sei: Mit den Älteren machten sie das, warfen sie aus dem Bett, und man konnte sie mitten in der Nacht durch den Flur laufen hören, so schnell sie konnten.
Aber sein Bestimmungsort war nicht eines dieser Zimmer, sondern lag tatsächlich in der Klinik. Man konnte nichts anderes tun als das, was einem gesagt wurde, und man sollte in der Klinik nicht nachdenken, nur sein Hemd ausziehen und es aufhängen, dann auf den Tisch klettern und dort sitzen bleiben und versuchen, nicht zu zittern, bis der Aufseher kam, um alle Fragen zu beantworten.
Es war ein Aufseher, der ihn noch nie betreut hatte. Ein Mann, der sich den Bandgeräten zuwandte, bevor er ihn auch nur ansah, und dann sagte:
»Hallo, Florian, wie geht's dir?«
»Ich habe Angst, Ser. Warum bekommen wir jetzt ein Band?«
»Das Band wird's dir verraten. Keine Angst.« Er nahm ein Hypo in die Hand, setzte es an Florians Arm und verabreichte ihm einen Schuß. Florian zuckte zusammen. Geräusche wie diese machten ihn seit einiger Zeit nervös. Der Aufseher klopfte ihm auf die Schulter und legte das Hypo hin. Und hielt ihn fest, weil es ein starkes Zeug war: Florian spürte sehr rasch die Wirkung einsetzen.
»Braver Junge«, sagte der Aufseher, und seine Hände waren sanft, selbst wenn er sich nicht so freundlich anhörte wie einige andere Aufseher. Er ließ ihn keinen Moment lang los, als er ihn herumdrehte und ihm half, seine Beine auf den Tisch zu legen, und seine Hände waren überall, unter seinen Schultern, auf seiner Schulter oder auf seiner Stirn. »Das wird ganz tief gehen. Du hast jetzt keine Angst mehr.«
»Nein«, sagte er und spürte die Furcht schwinden, aber nicht das Gefühl, sich weit zu öffnen.
»Noch tiefer. So tief du kannst, Florian. Begib dich in dein Innerstes und warte dort auf mich ...«
XIII
»Ich will keine Party«, sagte Ari und flegelte sich in den Sessel, als Onkel Denys mit ihr redete. »Ich will keine blöde Party. Ich kann die anderen Kinder nicht leiden. Ich will nicht nett zu ihnen sein.«
Onkel Denys war schon böse auf sie, weil sie sich Nellys Schlüsselkarte geborgt hatte, denn Nelly, so war sie nun einmal, hatte Onkel Denys und Onkel Giraud die ganze Geschichte erzählt, als Denys sie fragte. Nelly wollte sie nicht in Schwierigkeiten bringen. Sie hatten sie sowieso erwischt. Nelly war furchtbar aufgeregt gewesen. Und Onkel Denys hatte sich mit ihr und Nelly ernsthaft über Schutz und Sicherheit in dem Gebäude unterhalten und ihr eingeschärft, daß sie von den vorgeschriebenen Wegen nicht abweichen durfte.
Vor allem hatte er gesagt, daß er auf lustin und Grant wütend sei, weil sie ihn nicht angerufen und mitgeteilt hatten, daß Ari nicht da war, wo sie sein sollte, und sie waren auch in Schwierigkeiten. Onkel Denys hatte ihnen eine wütende Mitteilung geschickt; und jetzt waren sie angewiesen, Ari zu melden, wenn sie ihr Büro besuchte, statt durch die Flure zu gehen, in denen sie sich aufhalten durfte.
Ari war richtig wütend auf Onkel Denys.
»Du willst die anderen Kinder nicht«, sagte Onkel Denys, und es klang wie eine Frage.
»Sie sind blöd.«
»Nun, wie wär's mit einer Party
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