Geklont
Jetzt noch nicht.«
Oh, damit will er mich ködern, was?
»Du weißt, daß Amys Mutter dich, Florian und Catlin für heute abend zu sich eingeladen hat.«
»Das wußte ich gar nicht. Nein.«
»Nun, sie hat's aber. Willst du nicht hin?«
»Nein, ich fühle mich mies. Und Amy hat nichts davon gesagt.«
»Es ist eine Überraschung.«
Zum Teufel.
»Ich glaube, du hast zu angestrengt studiert. Ich glaube, wenn du einen Abend ausgehst, würde dir das sehr gut bekommen.«
»Ich will nirgendwohin! Ich fühle mich mies! Ich will ins Bett!«
»Ich meine wirklich, du solltest zu Amy gehen.«
»Ich werde nicht zu Amy gehen!«
Onkel Denys sah alles andere als zufrieden aus, und machte Anstalten aufzustehen. »Ich werde Dr. Ivanov anrufen. Ich habe das Gefühl, er hat dir wirklich etwas gegeben, das dich aufregt. Vielleicht kann er dir etwas schicken.«
»Den Teufel wird er tun! Ich will nicht noch mehr Schüsse. Ich will nicht noch mehr Bluttests, ich will keine Kameras mehr in meinem Schlafzimmer haben, ich will keine Leute mehr, die an mir rumpfuschen!«
»Gut, schon gut. Keine Medikamente. Ich werde mit Petros reden.« Er schnitt ein finsteres Gesicht. »Ich bin wirklich beunruhigt deswegen, Ari.«
»Das ist mir egal.« Sie erhob sich vom Tisch. Sie bebte vor Zorn. Er war außer Kontrolle. Sie selbst war außer Kontrolle. Sie haßte das Gefühl, haßte alles, was sie mit ihr machten.
»Ich meine, ich mache mir Sorgen«, fügte Onkel Denys hinzu. »Ari... willst du dich heute abend noch an den Computer setzen?«
»Was hat das damit zu tun?«
»Nur... wenn du es tust - denk daran, daß ich dich liebe.«
Das traf sie. Hatte Onkel Denys wirklich gesagt, daß er sie liebte? Das war ganz sicher eine Falle.
Es tat weh, weil es der bisher widerwärtigste Trick war.
»Natürlich«, sagte sie knapp. »Ich gehe jetzt in mein Zimmer, Onkel Denys.«
»Hormone«, bemerkte er ebenso knapp. »Es sind die Hormone. Die Pubertät ist ein schwieriges Alter. Ich bin froh, wenn du sie hinter dir hast. Wirklich.«
Sie ging hinaus und schloß die Tür zwischen ihrem Flur und dem Wohnzimmer.
Im selben Moment traten Florian und Catlin aus ihrer Tür.
Was ist los? fragten ihre Gesichter.
»Es geht mir gut«, sagte sie. »Onkel Denys und ich haben über die Bänder diskutiert. Morgen werden wir als erstes die Einheit ausbauen.«
»Gut«, erwiderte Florian auf eine vage, betäubte Weise.
»Ich gehe jetzt in mein Zimmer«, sagte sie. »Mir geht's gut. Macht euch keine Sorgen um mich. Alles ist in Ordnung.«
Sie ging an ihnen vorbei.
Dann schloß sie die Tür ihres Zimmers.
Sie betrachtete den Computer auf dem Schreibtisch.
Genau das erwartete er von ihr, vermutete sie. Sie täte gut daran, ihn zu enttäuschen. Dafür zu sorgen, daß er sich Sorgen machte. Das Ding tagelang nicht anrühren.
Aber das war nicht klug. Es war am besten herauszufinden, was er überhaupt wollte. Um dann damit umzugehen.
»Basis Eins«, begann sie. »Ist eine Botschaft eingetroffen?«
»Keine Mitteilung«, antwortete Basis Eins über den Automatischen Haushälter.
Das hatte sie jedenfalls nicht erwartet.
Der Bildschirm wurde hell. Sie ging hinüber. Nur ein Punkt wartete auf sie.
Der wöchentliche Nachtrag. Die zweite Woche im April 2290.
Sie setzte sich an den Bildschirm. Ihre Hände zitterten. Sie preßte sie erschrocken zusammen, ohne zu wissen, warum. Aber etwas war darin enthalten. Etwas, worauf Denys hinaus wollte, hatte sich in dieser Woche, in diesem Jahr ereignet.
Die zweite Woche im April.
Die zweite Woche im April. Vor fünf Jahren.
Sie war in der Schule gewesen. Im Sandkasten. Sie hatte sich auf den Heimweg gemacht.
»Auswahl eins.«
Es wurde eingespielt und im üblichem Tempo abgespult.
Olga Emory.
Am 13. April 2290 verstorben.
Ari senior war in der Schule gewesen. Als ihr Onkel Gregory sie abholen kam und ihr die Neuigkeit erzählte.
»Verdammt!« hatte sie geschrien, war aufgestanden und hatte das Erstbeste, was ihr in die Hände kam, durch den Raum geworfen.
Die Kassetten verteilten sich übers Bett, und der Ständer prallte gegen die Wand. Sie packte eine Vase und warf sie in den Spiegel, und beide zerbrachen, und ihre Scherben flogen auf den Boden.
Als Catlin und Florian ins Zimmer stürzten.
Sie setzte sich auf ihr Bett, nahm Poo in die Arme, streichelte sein schäbiges Fell und hatte das Gefühl, sie müsse sich übergeben.
»Sera?« fragte Florian.
Und er und Catlin knieten sich an die Seite des Betts hin,
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