Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geködert

Geködert

Titel: Geködert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
Vom Netzwerk:
Tarrant ins Zimmer gleiten. Franks alter Diener trat immer auf wie der Geist von Hamlets Vater. Ich möchte wetten, dass er auch stets an der Tür lauschte. Wie hätte er sonst jeweils genau im richtigen – oder manchmal auch genau im falschen – Moment eintreten können?
Als Frank sich ihm zuwandte, sagte Tarrant: »Colonel Hampshire hat angerufen und läßt sagen, dass das Hauptquartier das Turnier gewonnen hat.«
Ich sah Frank fragend an, der die Pfeife aus dem Mund nahm, mir ein Lächeln schenkte und sagte: »Bridge.«
Ich hätte Frank also von irgendeinem verdammten Endspiel eines Bridgeturniers in der Offiziersmesse ferngehalten. Das Essen, das wir uns geteilt hatten, war demnach vermutlich Tarrants Essen. Aber der Schein konnte auch trügen. Tarrants dicke Augenbrauen waren stets so drohend heruntergezogen, wie bei einem Stier, der zum Angriff überging. Vielleicht war er gar nicht hungrig und futterneidisch, sondern schlichtweg betrunken.
»Danke, Tarrant. Sie können zu Bett gehen. Ich werde Mr. Samson selbst hinausbegleiten.«
»Sehr wohl, Sir.«
»Geh noch nicht«, sagte Frank zu mir. »Laß uns eine Flasche Port aufmachen und den angebrochenen Abend würdig beenden.« Ich wusste Franks Portwein zu schätzen, aber diesmal schlug ich die Einladung aus. »Ich muss noch bei Lisl reinschauen, ehe sie schlafen geht«, sagte ich mit einem Blick auf die Uhr.
»Und wann ist das?«
»Ziemlich spät«, gab ich zu.
»Hast du gehört, dass sie zumacht?«
»Das Hotel? Nur die nackte Tatsache. Werner hat mir eine seiner kryptischen Nachrichten zukommen lassen, aber nicht mehr als das.«
»Es wird ihr zuviel«, sagte Frank. »Und die verdammten Angestellten kommen nur noch zur Arbeit, wenn sie zufällig gerade mal Lust dazu haben.«
»Du sprichst doch wohl nicht von Klara?« Klara war Lisl Hennigs Haushälterin seit grauer Vorzeit.
»Nein, natürlich nicht Klara. Aber Klara ist inzwischen ja auch schon steinalt. Beide sind sehr alte Damen, die in irgendein anständiges Altersheim gehören und nicht mehr versuchen sollten, sich mit den Problemen eines alten und heruntergekommenen Hotels herumzuschlagen.«
»Was wird Lisl machen?«
»Wenn sie auf das hört, was ihr alle raten, wird sie das Hotel verkaufen.«
»Sie hat eine Hypothek aufgenommen«, sagte ich. Er stocherte in seiner Pfeife. »So wie ich die Mentalität von Bankiers kenne, wird ihr die Bank nicht mehr als die Hälfte des Marktwerts gegeben haben.«
»Ich nehme an, du hast recht.«
»Jedenfalls hätte sie genug, um ihre letzten Jahre bequem verbringen zu können«, sagte Frank.
»Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ich in Berlin ankomme und nicht bei Lisl absteigen kann«, sagte ich in kindischer Selbstsucht. Mein Vater hatte schon in diesem Haus im Quartier gelegen, und später waren meine Mutter und ich auch eingezogen. Ich hatte während meiner ganzen Kindheit und Schulzeit dort gewohnt. Jedes Zimmer, jedes Möbelstück, jedes Stückchen abgetretener Teppich erinnerte mich an jene Jahre. Ich nehme an, aus diesem Grunde war es mir auch ganz recht gewesen, dass bei Lisl nie was renoviert wurde. Das Haus war für mich so etwas wie ein privates Museum meiner Vergangenheit, und die Aussicht, es zu verlieren, erfüllte mich mit Schrecken. Es kam mir so vor, als sollte mir die Erinnerung an meinen Vater entrissen werden.
»Ein Gläschen noch?« fragte Frank. Er legte ehrerbietig seine Pfeife in dem Aschenbecher ab und ging zu dem Getränkeservierwagen. »Ich mache die Flasche sowieso auf.«
»Also gut. Ja, gern«, antwortete ich und setzte mich wieder, während Frank mir ein Glas von dem braunen Wein eingoß. Ich sagte: »Als ich das letzte Mal bei Lisl wohnte, waren nur drei Zimmer belegt.«
»Das ist noch nicht mal das Schlimmste«, sagte Frank. »Der Arzt meint, dass die Anstrengung auf jeden Fall zuviel für sie ist. Zu Werner hat er gesagt, dass sie höchstens noch sechs Monate zu leben hat, wenn sie sich nicht zur Ruhe setzt.«
»Arme Lisl.«
»Ja, arme Lisl«, sagte Frank und reichte mir das bis zum Rand gefüllte Glas. Es klang ein bisschen sarkastisch; für gewöhnlich nannte er sie ja Frau Hennig.
»Ich weiß, du konntest sie nie leiden«, sagte ich.
»Ach komm, Bernard, das ist doch nicht wahr.« Er nahm seine Pfeife wieder zur Hand und setzte sie in Gang.
»Wirklich nicht?«
»Ich habe gesagt, dass sie ein Nazi war«, sagte er in gemessenem Ton und lächelte, als gefiele ihm seine Heuchelei.
»Das ist doch Unsinn.« Lisl war für mich eine

Weitere Kostenlose Bücher