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Geködert

Geködert

Titel: Geködert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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was ich über die Gelder in Erfahrung gebracht hatte, die an Bret Rensselaers Firma überwiesen wurden, und erklärte, auf welchen Umwegen sie meines Erachtens nach Berlin gelangt waren, unterbrach er mich wiederholt mit sachlichen Zwischenfragen. Manchmal war er mir weit voraus, und mehr als einmal verstand ich nicht gleich, worauf er mit seinen Fragen hinauswollte. Aber er war ein alter Praktiker und viel zu erfahren, als dass er mir das Ausmaß seiner Kenntnisse oder Ängste offenbart hätte. Das überraschte mich nicht. Ich

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    erwartete vielmehr voll und ganz, dass jeder Director-General jeden Verdacht, seine Angestellten seien Verräter oder hätten sich falsch verhalten, entschieden zurückweisen würde, und ginge es nur darum, dass irgend jemand zu seinem Nachmittagstee regelmäßig einen zweiten Keks bekäme.
    »Gärtnern Sie?« fragte er, plötzlich das Thema wechselnd.
    »Gärtnern, Sir?«
    »Na ja, Gärtnern, Mann, verdammt noch mal.« Er lächelte mir leutselig zu. »Umgraben, Blumen züchten, Büsche, Gemüse, Obst und so.«
    Sir Henrys zwanzig Morgen großer Garten fiel mir ein und die Männer, die ich dort bei der Arbeit gesehen hatte. Am Revers trug er eine kleine weiße Rose, ein Hinweis auf seine Herkunft aus dem ländlichen Yorkshire, auf die er so stolz war.
    »Nein, Sir. Ich gärtnere nicht. Nicht richtig.«
    »Ein Mann braucht einen Garten, sage ich immer.« Er sah mich über seine Brillengläser hinweg an. »Haben Sie denn nicht mal ein kleines Stückchen?«
    »Doch, ein kleines Stückchen Garten habe ich«, räumte ich ein, da mir jetzt die Wildnis von Unkraut und Brennesseln hinter unserem Häuschen in der Balaklava Road einfiel.
    »Juli ist für mich der schönste Monat im Garten, Simpson.
    Haben Sie eine Ahnung, warum?« Er hob einen Finger.
    »Ich fürchte nein, Sir.«
    »Im Juli ist alles da, was überhaupt kommen kann. Viele schöne Sachen kann man schon ernten: Himbeeren, rote Johannisbeeren und Kirschen, dazu Bohnen und Frühkartoffeln
    …« Er hielt inne und sah mich durchdringend an. »Aber wenn irgendwas nicht gekommen ist, nicht aufgegangen ist, vom Regen weggewaschen, beim letzten Nachtfrost erfroren …«
    Der Finger zeigte nun auf mich. »Es ist noch Zeit, etwas Neues anzupflanzen. Stimmt’s? Juli, ’s gibt nichts, was man nicht im Juli pflanzen kann, Simpson. Es ist nicht zu spät, noch einmal anzufangen. Können Sie mir jetzt folgen?«

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    »Ich glaube, ich weiß, was Sie meinen, Sir«, sagte ich.
    »Ich liebe meinen Gemüsegarten, Simpson. Es gibt nichts Schöneres, als das zu essen, was man selbst gezogen hat.
    Sicherlich wissen Sie das.«
    »Oja, Sir.«
    »Unsere Welt ist wie eine Zwiebel, Simpson«, sagte er vielsagend und bedeutungsschwer, wobei seine Stimme rauh wurde. »Ich meine natürlich das Department. Das habe ich auch schon der Premierministerin erklärt, als sie sich über unsere unorthodoxen Methoden bei mir beschwerte. Jede Zwiebelschale passt genau auf die nächste, aber jede Schale ist von der nächsten getrennt und unabhängig: eine terra incognita.
    Folgen Sie mir, Simpson?«
    »Ja, Sir Henry.«
    Derart bestätigt, fuhr er fort: »Omne ignotum pro magnifico.
    Ist Ihnen diese glänzende Einsicht bekannt, Simpson?«
    Verlassen wollte er sich aber darauf nicht, weshalb er sie mir in einem kurzen Exkurs erläuterte. »Alles Unbekannte wird für wunderbar gehalten. Das ist die Losung des Department, Simpson … Wenigstens die Losung der Burschen von der Bewilligungsstelle.« Er lachte.
    »Ja, Sir«, sagte ich. »Tacitus, nicht?«
    Die Augen hinter den Brillengläsern schienen plötzlich zu erwachen. Der alte Teddybär räusperte sich. »Arrr. Ja. Tacitus gelesen, was? Wissen Sie noch mehr daraus, Simpson?«
    »Omnium consensu capax imperii nisi imperasset« , zitierte ich, und nachdem ich ihm einen Augenblick lang Gelegenheit gegeben hatte, das zu verdauen, erklärte ich ihm, seinem Beispiel folgend, was es hieß: »Jedermann hielt ihn für fähig zu herrschen, bis er’s versuchte.«
    Die wäßrigen Augen sahen mich unverwandt an. »Ha! Ein Volltreffer! Ich verstehe, was Sie meinen, junger Mann. Sie fragen sich, ob ich fähig bin, meine Autorität geltend zu machen. Ist es das?«

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    »Nein, natürlich nicht, Sir Henry.«
    Er kratzte sich an der Nase. »Ob ich sie genügend geltend machen kann, um den Grund für Ihre Sorgen und Ängste aufzuklären.« Er wandte den Kopf ab und hüstelte wohlerzogen.
    »Nein, Sir.« Ich erhob mich, um

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