Geködert
mich von ihm zu verabschieden.
Er blickte zu mir auf. »Keine Angst, mein Junge. Ich werde der Sache nachgehen. Ich werde jeden Aspekt dieser Geschichte unter die Lupe nehmen, bis auch der letzte Schatten jedes Zweifels aufgeklärt ist.«
»Danke, Sir.« Er erhob sich schwerfällig, um mir zum Abschied die Hand zu geben, wobei ihm die Brille von der Nase fiel. Ich fing sie noch rechtzeitig auf. Vermutlich passierte ihm das häufig.
Draußen sah ich auf die Uhr. Es war noch reichlich Zeit, meinen Koffer aus dem Büro abzuholen und in die Ebury Street zu fahren, um Werner abzuholen, denn Werner hatte wieder einmal Einkäufe in London gemacht und den Rückflug nach Tegel in der gleichen Maschine gebucht, die ich nehmen musste. Ich machte mich also auf den Weg zu Fortnum, um vorher noch eine Tasse Kaffee zu trinken. Ich wollte für einen Augenblick allein sein. Ich brauchte Zeit zum Nachdenken.
Dunkle Wolken jagten über die Kronen der Bäume im Green Park, und der Nieselregen war in windgepeitschte, heftige Schauer übergegangen. Touristen stapften grimmig entschlossen durch den Platzregen. Maler, die auf dem Bürgersteig neben dem Park ihre Werke ausstellten, hatten diese mit Plastikbahnen abgedeckt und hinter der Kolonnade des Ritz Zuflucht gesucht. Als ich am Eingang der U-Bahn-Station Green Park vorüber kam, stülpte der Wind einer eben die Treppe heraufkommenden Frau den Regenschirm um, und einem Mann flog der breitkrempige Filzhut davon, mitten auf
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die Straße. Der Hut hüpfte wieder hoch, ein Wagen wich ihm aus, doch gleich darauf überrollte ihn ein Bus, und ein Zeitungsverkäufer lachte höhnisch dazu. Ein Donnergrollen ertönte. Es war kalt und naß. Ein durch und durch elender Tag.
London im Winter.
Manchen Leuten verschafft es eine perverse Befriedigung, im Regen spazierenzugehen. Man hat dabei eine Privatsphäre, die bei schönem Wetter nicht möglich ist. Die Passanten senken den Kopf und stürzen sich, ohne an irgend etwas anderes als ihr eigenes Elend zu denken, in den Regenguß. Ich ging in Gedanken meine Unterhaltung mit dem Director-General durch und fragte mich, ob ich mich richtig verhalten hatte. Irgendwas an den Reaktionen des alten Mannes war mir seltsam vorgekommen. Nicht, dass er kein Interesse gezeigt hätte. Jedes meiner Worte hatte er auf die Goldwaage gelegt.
Aber irgend etwas … Ich betrat Fortnum durch den Haupteingang, durchquerte die Feinkostabteilung und suchte die Teestube auf. Sie war voller Damen mit blauem Haar und Krokodillederhandtaschen, die alle so aussahen, als würden sie daheim sehnsüchtig von ihren kleinen weißen Hunden erwartet.
Vielleicht hatte ich mir auch die falsche Zeit ausgesucht. Ich setzte mich an den Tresen und bestellte eine Tasse Kaffee und ein Stück Blätterteig. Es war köstlich. Ich saß einige Zeit in Gedanken versunken da. Nachdem ich die erste Tasse Kaffee geleert hatte, bestellte ich eine zweite. Und dann endlich fiel mir ein, was mir bei meiner Unterhaltung mit dem Director-General merkwürdig vorgekommen war. Er hatte sich meine unerhörten Spekulationen angehört, ohne Entrüstung oder Zorn zu zeigen; nicht einmal überrascht war er.
Ich musste jegliches Zeitgefühl verloren haben, denn als ich das nächste Mal auf die Uhr sah, hatte ich kaum mehr Zeit bis zu meiner Verabredung. Aber ich beeilte mich, und als ich in der Ebury Street anlangte, war ich nur ein paar Minuten zu spät. Werner – auf dessen deutsche Pünktlichkeit Verlaß war –
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erwartete mich vor dem Hotel, die Koffer gepackt, die Rechnung bezahlt, den schwarzen Burberry-Regenmantel zugeknöpft und den Regenschirm aufgespannt. Neben ihm stand ein großer Pappkarton mit der Aufschrift: »Porzellan.
Fragile. Nicht werfen.«
»Entschuldige, Werner«, sagte ich. »Es hat alles ein bisschen länger gedauert, als ich dachte.«
»Die Zeit reicht ja noch dicke«, sagte Werner. Der Fahrer öffnete ihm die Tür und verstaute die Porzellankiste im Kofferraum. Sie schien verdammt schwer zu sein. Werner äußerte sich zu diesem großen und lästigen Gepäckstück nicht.
Er legte seinen Regenschirm am Vordersitz neben dem Fahrer ab und nahm dann seinen weichen Filzhut ab, um nachzusehen, ob sein Ticket auch noch da war. Tickets und solche Sachen steckte Werner immer unter das Schweißband in seinem Hut.
Er war der einzige Mensch in meiner Bekanntschaft, der das tat.
Der Wagen setzte uns bei der Victoria Station ab, wo die direkten Züge zum Flughafen Gatwick
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