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Geködert

Geködert

Titel: Geködert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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den Servierwagen setzte, fragte ich: »Du weißt nicht zufällig, wie häufig sie diese Sicherheitsprüfung machen, was?«
    »Mach dich nützlich«, sagte sie und überließ mir den Servierwagen. Ich schob den Wagen in das Eßzimmer.
    »Löschen kannst du es nicht. Falls du das gehofft haben solltest, muss ich dich leider enttäuschen.«
    Sally und Billy kamen herunter, ihre Schulbücher unter dem Arm. Billy war vierzehn und in letzter Zeit sehr gewachsen. Er

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    trug eine Drahtspange auf den Zähnen. Die Spange muss lästig gewesen sein, aber er beklagte sich nie darüber. Er war ein Stoiker. Sally, ein paar Jahre jünger, war noch sehr kindlich und litt sehr unter dem Verlust der Mutter. Das heißt, beiden Kindern fehlte natürlich die Mutter. Sie sprachen aber nie davon und verbargen ihre Trauer sogar vor mir, so dass ich nicht einmal versuchen konnte, sie zu trösten.
    Gloria hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, sich allabendlich nach dem Essen die Hausaufgaben der Kinder anzusehen. Sie konnte fabelhaft mit ihnen umgehen. Manchmal schien es mir, dass die Kinder in dieser fröhlichen halben Stunde mehr von ihr lernten als während des ganzen Tages in der Schule. Und mit diesen Lektionen hatte Gloria außerdem das Vertrauen der Kinder gewonnen, was ebenso wichtig war.
    Dennoch fragte ich mich manchmal, ob mir die Kinder das Glück, das ich bei Gloria gefunden hatte, nicht übelnahmen.
    Ich hatte den Verdacht, sie wollten, dass ich meinen pflichtgemäßen Anteil an ihrem Kummer tragen sollte.
    »Sind die Hände gewaschen?«
    »Ja, Tante Gloria«, riefen beide einstimmig und wiesen die gewaschenen Hände vor. Auch Doris hob die Hände und lächelte schüchtern. Das stille, inzwischen schlanke Mädchen –
    früher war sie sehr pummelig – aus einem kleinen Dorf in Devon war schon lange bei den Kindern. Sie brachte beide zur Schule, machte das Mittagessen für Sally (Billy hatte länger Unterricht und aß in der Schule), ging einkaufen und versengte beim Bügeln meine Hemden. Sie war ungefähr in Glorias Alter, und ich fragte mich manchmal, was sie wirklich von der Lebensgemeinschaft hielt, die wir beide gegründet hatten. Aber es bestanden kaum Chancen, dass sie mir ihre Gedanken je anvertrauen würde. In meiner Gegenwart war Doris ein stilles Wasser, während ich sie mit den Kindern oft fröhlich lärmend schreien und herumtollen hörte.

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    »Billy kann den Servierwagen« (gemeint war die eingebaute Warmhalteplatte) »einstecken«, sagte Gloria. Ich setzte mich.
    Doris fummelte an ihrem Besteck herum. Seit sie auf Schokolade verzichtete, schien sie ständig an
    Entzugserscheinungen zu leiden.
    Der Servierwagen mit dem eingebauten Speisenwärmer –
    wie die bunt emaillierten Kasserollen und gestreiften Topflappen – war Glorias Idee. Sie versprach sich eine revolutionäre Verbesserung unserer Lebensqualität davon, erst recht, wenn wir einmal größere Partys geben würden.
    »Chipolata-Würstchen!« sagte ich. »Und Onkel-Ben-Reis!
    Mein Leibgericht!«
    Gloria sagte nichts. Das war jetzt schon das dritte Mal binnen einer Woche, dass diese verdammten
    Schweinswürstchen auf den Tisch kamen. Wenn ich was Anständiges zum Mittagessen gehabt hätte, dann hätte ich die sarkastische Bemerkung vielleicht für mich behalten.
    Gloria sah mich nicht an, sie teilte das Essen aus. »Der Reis ist ein bisschen angebrannt«, sagte sie zu den Kindern. »Aber wenn ihr euch von oben nehmt, geht es schon.«
    Sie gab jedem von uns ein Paar Würstchen. Die Flamme war zu hoch gewesen, und so waren die Würstchen schwarz und verschrumpelt. Der Spinat, den es dazu gab, war wässerig.
    Nachdem sie serviert hatte, setzte sie sich und nahm einen ungewöhnlich großen Schluck aus ihrem Glas, ehe sie zu essen begann.
    »Entschuldige bitte«, sagte ich in der Hoffnung, ihr verletztes Schweigen zu brechen.
    In einer unnatürlich hohen Stimmlage sagte sie: »Ich kann nicht besonders gut kochen, Bernard. Das hast du vorher gewusst. Ich habe dir nie was vorgemacht.« Die Kinder sahen zu Doris, und Doris sah auf ihren Teller.
    »Aber es ist doch lecker«, erwiderte ich.

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    »Sei nicht so verdammt herablassend!« sagte sie laut und zornig. »Es ist einfach scheußlich. Glaubst du, ich weiß nicht, dass es vollkommen ungenießbar ist?«
    Die Kinder betrachteten sie mit dem leidenschaftslosen Interesse, das Kinder Ereignissen zuwenden, die sie noch nicht einordnen können. »Nicht weinen, Tante Gloria«, sagte Sally.
    »Du

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