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Geködert

Geködert

Titel: Geködert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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Software-Bibliothek und Video auf der dritten und untersten Etage, wo die Geheimnisse wirklich hinter Schloss und Riegel gehalten wurden.
    Nach dem Überlaufen meiner Frau dauerte es mehrere Wochen, genaugenommen fast drei Monate, ehe man mich wieder ins U-Boot hinunterschickte. Ich glaubte schon, dass ich zum Sicherheitsrisiko geworden war und den Laden nie wieder von innen sehen sollte, aber dann blieb Dicky eines Tages mit einer Kopfgrippe zu Hause, und irgendwas wurde dringend gebraucht von da unten, und da ich im Büro der einzige war, der mit den Geräten umgehen konnte, wurde ich
    hinuntergeschickt. Von dem Tag an war alles wieder normal, soweit ich das beurteilen konnte. Natürlich, mit Sicherheit weiß man im Department nie etwas. Es gibt da keinen Michelin-Führer, der in jedem Frühjahr neu erscheint, so dass man nachlesen kann, was die Inspektoren von einem halten.
    So konnte ich also von Glück sagen, dass ich da vor der Tastatur saß, der Maschine meinen Namen, Rang und Arbeitsplatz nannte und darauf wartete, dass sie mich nach meiner geheimen Schlüsselnummer fragte. Denn das hieß, dass ich noch zu denen gehörte, die das Vertrauen der Nation genossen. Nachdem dann die Maschine meine Nummer bestätigt hatte, saß ich ein paar Stunden auf einem von diesen

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    unbequemen kleinen Bürostühlen vor dem Bildschirm herum und ließ meterweise blaßgrünen, streng geheimen Papierkram für Dicky ausdrucken. Als ich endlich alles hatte, was er wollte, blieb ich einen Augenblick lang unentschlossen vor dem Bildschirm sitzen. Ich wusste, dass ich aufstehen und schnurstracks ins Büro zurückgehen sollte. Aber ich konnte der Versuchung, die Maschinerie wenigstens einmal zu testen, schließlich doch nicht widerstehen. Nur, damit ich Cindy sagen könnte, ich hätte wenigstens versucht, ihr zu helfen. Und um meine eigene Neugier zu befriedigen.
    Ich tippte also ein: PRETTYMAN, JAMES.
    Die Maschine gurgelte, ehe sie mir ein »Menü« vorlegte, aus dem ich BIOG wählte. Nach weiterem sanftem Geklapper im Innern des Apparats erschien der Anfang der zwanzig Seiten langen dienstlichen Biographie Jim Prettymans auf dem Bildschirm. Ich ließ sie schnell durchlaufen und sah, dass sie mit einer Zusammenfassung von Prettymans letztem Bericht endete. Das hier war die Standardpersonalakte von Beamten, in der der unmittelbare Vorgesetzte »Urteilskraft, politischen Verstand, analytische Fähigkeit und Umsicht« des Angestellten würdigt. Ob Prettyman aber aus dem Department
    ausgeschieden oder noch dafür tätig war, fand ich nicht erwähnt. Als ich zusätzliche Informationen von der Maschine verlangte, gab sie mir das Wort: REVISE.
    Also versuchte ich’s mit PRETTYMAN J BIOG REVISE
    und bekam als Antwort REFER FILE FO FX MI 123/456, ein Dateiname, den ich ziemlich ungewöhnlich fand. Als ich die Datei aufrufen wollte, hieß es nur: ACCESS DENIED ENTER
    ARCTIC NUMBER.
    Na schön. Aber wie sollte ich der Maschine die arktische Nummer geben, wenn ich keine Ahnung hatte, was eine arktische Nummer sein sollte? Ich sah auf die Uhr. Bis zu meiner Verabredung mit Dicky hatte ich noch eine Menge Zeit.
    Dicky war in den letzten Tagen sehr guter Laune gewesen. Die

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    Bizet-Krise schien vorüber. Tatsachen waren zwar noch nicht bekannt, aber Dicky hatte erklärt, dass der Stasi unsere Leute wegen mangelnder Beweise demnächst entlassen würde, und er hatte dem Department gegenüber natürlich auch durchblicken lassen, dass das alles ihm zu verdanken sei. Das war zwar das reinste Märchen, aber wenn Dicky gute Neuigkeiten brauchte, zögerte er nie, sie zu erfinden. Als ich ihn einmal deswegen zur Rede stellte, sagte er, das sei die einzige Methode, sich den Alten vom Leibe zu halten.
    Heute mittag aß Dicky mit seinem alten Freund und ehemaligen Kollegen Henry Tiptree, der einen bequemen Schreibtischposten im Außenministerium gegen eine Anstellung bei einer kleinen Handelsbank in der City eingetauscht hatte. An dem Essen nahm auch Morgan teil.
    Morgan war zwar des D.G.s Ausputzer und Mädchen für alles, aber seitdem der D.G. sich nur noch selten sehen ließ, hatte Morgan nichts mehr zu tun, außer Anfragen an das Büro des Deputy zu leiten und Rauch an die Decken der besseren Restaurants in der City zu blasen. Ich vermutete, dass Morgan und Dicky sich in aller Vorsicht nach ihren Chancen erkundigten, eins von den sechsstelligen Gehältern zu beziehen, die, wie ich dauernd in The Economist las, in der City gezahlt wurden.

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