Gekroent
Mylady. Ihr seid immer noch sehr schwach.“
„Mir geht es gut. Mir geht es gut. Ich muss nur den Findling sehen.“ Sie hatte nicht so kurz angebunden klingen wollen, als gäbe sie der großmütterlich aussehenden Birkita Anweisungen. Der Drang, dem Selenitbrocken nahe zu sein, war aber mit einem Mal so übermächtig, dass sie beinahe körperliche Schmerzen verspürte.
„Natürlich, Mylady“, murmelte Birkita und packte Morrigans Ellenbogen fester, um sie bei den ersten wackeligen Schritten zu stützen.
Nur am Rande bekam Morrigan mit, dass Birkita sie von dem Raum, in dem sie erwacht war, durch einen Tunnel führte, der von weichem, blauweißem Licht sanft erhellt wurde. Unterbewusst war ihr klar, dass sie sich umschauen, ihre Umgebung betrachten, die Beschaffenheit ihres neuen Zuhauses in sich aufnehmen sollte. Sie war aber so darauf fokussiert, den Stein zu erreichen – den Kristall zu berühren –, dass ihre Welt auf dieses eine Bedürfnis zusammenschrumpfte.
Morrigan hatte keine Ahnung, wie lange sie gegangen waren, als der Tunnel sich zu einem verstörend vertraut aussehenden Raum öffnete. Sie wusste sofort, dass es sich um den Lagerplatz aus den Alabasterhöhlen in Oklahoma handelte. Da war die gleiche, niedrige Decke, der ebene Fußboden. Ein kleiner Bach floss an einer Seite, und die Wände hatten natürliche, regalähnliche Vorsprünge. In dieser Welt war die Höhle mit weichen Fellen geschmückt, und überall standen und saßen Frauen, die miteinander sprachen und lachten – bis sie sie und Birkita erblickten.
Morrigan bemerkte die Menschen und die Veränderung in ihrem Verhalten kaum. Ihre volle Aufmerksamkeit war auf den wunderschönen Kristall gerichtete, der wie ein riesiges, magisches Ei in der Mitte des Raumes ruhte. Sie schüttelte Birkitas Hand ab und stolperte auf den Brocken zu. Überrascht und erfreut sah sie, dass ihre Reise durch ihn hindurch ihn nicht entzweigerissen hatte. Er sah noch genauso aus wie in Oklahoma, ohne die grauenhafte, künstliche pinkfarbene Beleuchtung. Ihr glücklicher Aufschrei, als sie die Hände auf den Kristall legte, klang mehr wie ein Schluchzen. DieReaktion kam sofort und mit einer solchen Macht, dass sie das Gefühl hatte, ein Stromkabel angefasst zu haben, aber anstatt ihr einen Schlag zu versetzen, erfüllte fließende Kraft sie und machte sie erst komplett.
Lichtbringerin!
„Ja, ich bin’s. Ich … ich brauche dich“, platzte es aus Morrigan heraus. Sie wusste nicht, was mit ihr los war; sie verspürte nur dieses erschreckende Bedürfnis nach seiner Hilfe. Zum Glück verstand der Kristall sie.
Wir hören dich, Lichtbringerin.
Die Qualität der elektrisierenden Kraft änderte sich, ihr wurde heißer, bis sich nach und nach die Enge in ihrer Brust löste und die betäubende Verwirrung und der Schock in ihrem Kopf sich auflösten. Ihr Atem ging langsamer, und ihr Herz fand zu einem normalen, stetigen Rhythmus. Logik und Vernunft kehrten zurück, zusammen mit dem Wissen, dass Birkita das Spiegelbild ihrer Großmutter sein musste, so wie Shannon und Rhiannon Spiegelbilder voneinander gewesen waren.
Sie war in Partholon.
Das Wissen erregte sie, erfüllte sie mit unbändiger Freude und großer Trauer. Sie hatte die Welten getauscht, genau wie ihre Mutter zuvor. Morrigan hatte keine Ahnung, wie sie es geschafft hatte, also standen die Chancen mehr als schlecht, dass sie jemals einen Weg zurückfinden würde. Das bedeutete, sie würde ihren Grandpa und ihre Grandma und ihre Freunde nie wiedersehen, nie die Zukunft erleben, die sie sich für sich vorgestellt hatte. G-pa und G-ma waren vermutlich am Boden zerstört. Morrigan verschloss die Augen gegen den Schmerz, den der Gedanke daran verursachte, wie traurig die beiden ohne sie sein würden.
Sie würden wissen, dass sie in Partholon und am Leben war, oder? Sicher würden sie diesen Schluss ziehen, wenn nur Kyles Leiche aus dem Schutt der Höhle geborgen wurde. Morrigan spürte die Tränen, die aus ihren Augen quollen und über ihre Wangen liefen. Vielleicht wären sie ein winzig kleines bisschen erleichtert, dass sie die Welt, in die sie nie wirklich gehört hatte, verlassen und einen Weg zu ihrer Mutter, zu ihrem Schicksal gefunden hatte.
Tochter der Göttin … Lichtbringerin … Auserwählte …
Die Titel, die Birkita genannt hatte, wirbelten durch ihren Kopf,während die Realität dessen, was passiert war, ihr langsam klar wurde.
Sie war in Partholon, dem Land ihrer Mutter. Sie war nicht
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