Geld im Mittelalter
der Obernormandie stieg der Tageslohn eines Facharbeiters von 2 Turnosgroschen in den Jahren 1320–1340 auf 4 Groschen im Zeitraum 1340–1405 und 5 Groschen in der Zeit von 1405 bis 1520. Im selben Zeitraum verdoppelte sich auch der Tageslohn der Hilfsarbeiter von Würzburg, derjenige der Lastenträger verdreifachte sich sogar.
Im Jahr 2007 befasste sich ein Kolloquium europäischer Historiker in Barcelona mit dem Thema Löhne im ausgehenden Mittelalter. Dabei wurde die Ansicht oder auch die Vermutung bestätigt, dass es erhebliche Lohnunterschiede gegeben hat – die Zunftmeister, Vorarbeiter und generell all diejenigen, die in organisatorischer oder leitender Funktion tätig waren, wurden besser bezahlt – und dass sich die Lohnschere zwischen Lehrling und Meister im Laufe der Zeit immer weiter öffnete. In den Verordnungen für die Arbeiter wurde die Arbeitszeit geregelt: ein Anzeichen dafür, dass die Bezahlung mit Geld den Zeitbegriff und die Zeitnutzung veränderte. In Pistoia beispielsweise gab es sommers und winters unterschiedliche Arbeitszeiten, betrug die Arbeitseinheit 20 Minuten und wurde der Tageslohn bei Verspätungen gekürzt. Am Ende des Mittelalters erhielten Baumeister, Maler und Bildhauer einen individuellen, höheren Lohn, was sie von der Klasse der Handwerker in den Rang von Künstlern erhob. Und wie Henri Bresc in einem Internet-Beitrag zur Arbeit im Mittelalter betont, hatte der zunehmende Geldgebrauch auf den Baustellen und unter den Arbeitern in den Manufakturen auch Auswirkungen auf ein weiteres Konzept, das die Menschen des Mittelalters – angefangen bei den Theologen bis hin zu den armen Leuten – nur schwer fassen und definieren konnten: das Konzept der Arbeit selbst.
Die Entstehung von Luxus
Obwohl sich im ausgehenden 14. und im 15. Jahrhundert vor allem kriegs- und epidemienbedingt die Katastrophen häuften, nahm der – im 13. Jahrhundert bereits gestiegene – luxuriöse Aufwand spektakuläre Ausmaße an und verleitete die oberen Schichten der Grundherren und reichen Bürger zu immer höheren Ausgaben. Über diesen gesamten Zeitraum hinweg versuchten sowohl die Regierenden, insbesondere die Könige, als auch die Städte diesen Ausgabenanstieg zu drosseln, gegen den auch die Kirche aus religiösen Gründen ankämpfte, obwohl nicht zuletzt ein Bauwerk wie der Papstpalast in Avignon genug beweist, dass das Papsttum – nicht zum persönlichen Vergnügen, sondern als kollektive Bestätigung seines Ansehens – wenn nicht die, so doch eine der ausgabenfreudigsten Institutionen Europas war. So wurde nach Philipp dem Schönen auch durch Johann den Guten im Jahr 1355/56 und Karl V. von Frankreich im Jahr 1366 der Kauf bestimmter Luxusgüter wie Juwelen und Großobjekten der Goldschmiedekunst verboten. Unter Karl V. war überdies das Tragen der extravaganten Schnabelschuhe untersagt, und ab 1367 durften speziell die Damen von Montpellier keinen Edelsteinschmuck und keine allzu offenherzigen Kleider mehr tragen, denn hier gesellte sich zum Luxus noch die Unsittlichkeit. Selbst noch 1485 erging unter Karl VIII. ein Verbot für Seiden- und Samtstoffe. In Italien ging man noch rigoroser gegen die Luxusexzesse vor, die streng genommen weniger ein Phänomen des Mittelalters als der Renaissance waren. Aufwendiger Tafelprunk wurde besonders streng geahndet. Mithin leistete Geld mehreren Todsünden Vorschub, was wiederum die ablehnende Haltung der Kirche gegenüber der Verschwendung verstärkte. Die avaritia (Habsucht) stand meist ganz oben auf der Liste der Todsünden, hingegen die gula (Völlerei), die im Frühmittelalter Gegenstand heftiger Kritik seitens der klösterlichen Asketengemeinschaften gewesen war, mit dem Aufkommen der »guten Tischmanieren« im 13. Jahrhundert eine gewisse Akzeptanz erfuhr und im 14./15. Jahrhundert wohl wieder überhand nahm. Übrigens war die langsam aufkommende Öffentlichkeit gegenüber dem Luxus und den damit verbundenen Ausgaben gespalten. Einerseits teilte sie die feindselige Haltung der Kirche und des Volkes gegenüber den »Neureichen«, andererseits war der Luxus ein Zeichen des Ansehens in einer Gesellschaft, die auf einer krassen Ungleichheit der einzelnen Bevölkerungsschichten beruhte. Das 14. und 15. Jahrhundert war die Zeit der prunkvollen Bankette: ein Faszinosum für die einen, ein Stein des Anstoßes für die anderen. Auch unter dieser Form nährte und verstärkte das Geld die Widersprüchlichkeiten der Hierarchie in der Feudalgesellschaft.
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