Geliebte Betrügerin
ein.
»Behandelt er dich schlecht?«, fragte Hannah leise.
»Kerrich? Nein, überhaupt nicht. Er ist nicht so schlimm, wie wir anfangs befürchtet haben.«
Nicht einmal, als er mich gekusst hat. Das hat er gut gemacht.
»Er hat mir sämtliche mstände seines betrügerischen Plans erläutert.«
Hannah bewegte sich neugierig vor. »Welche Umstände?«
»Du weißt, dass ich dir das nicht verraten kann. Du musst mir einfach vertrauen. Er hat seine Gründe.« Warum
verteidigte sie einen Mann, der sie geküsst hatte? Um ihr dann zu sagen, dass er es zu Testzwecken getan hatte.
Pamela schaute sich in dem etwas heruntergekommenen Arbeitszimmer um und entspannte sich sichtlich. Das hier war ihr Zuhause. Sie sprach mit einer ihrer besten Freundinnen. Hier
konnte
sie zugeben, was sie getan hatte, und das würde sie auch.
Doch dann hörte sie sich erst einmal sagen: »Wie auch immer, ich bin so froh, hier zu sein, wo ich ich selbst sein kann.«
»Pamela, ich kenne dich. Du weichst meinem Blick aus. Du bist nervös und zappelig.« Hannah drohte ihr mit dem Finger. »Du verschweigst mir etwas.«
Er hat mich geküsst.
»Tue ich das?« Ihre Stimme überschlug sich.
»Du willst es nicht sagen, weil du nicht zugeben willst, dass du Unrecht hattest.« Hannah setzte die strenge Miene der Gouvernante auf. »Du traust ihm nicht zu, dass er das Richtige für das Kind tut, sobald das Täuschungsmanöver vorüber ist.«
»Nein! Ich weiß, dass er für sie sorgen wird. Er ist kein Lügner, er ist nur … nicht willens zu lieben. Vermutlich, oder eher höchstwahrscheinlich, wird er sie nicht an Kindes statt annehmen, aber diese.Chance war von vornherein gering.« Pamela sehnte sich nach Beth. »Aber er scheint sie zu mögen, so weit dieser Mann ein weibliches Wesen überhaupt mögen kann.«
Küssen tut er die Frauen jedenfalls gern, und dass ich eine Frau bin, hat er auch mitbekommen. Ich würde ihm am liebsten alles gestehen, aber ich tue es nicht. Vor ihm fürchte ich mich, und von mir selbst bin ich angewidert. Bin ich wirklich genauso schwach, wie meine Mutter es war?
Der Gedanke erschreckte sie. Sie hatte ihre Mutter geliebt. Vater hatte Mutter ein nicht wieder gutzumachendes Unrecht zugefügt. Aber Mutter hätte nicht sterben dürfen aus Liebe. Sie hätte um ihrer Tochter und ihrer selbst willen weiterleben müssen.
»Mit einem solchen Mann auskommen zu müssen, ist jedenfalls Grund genug, müde und ausgelaugt zu sein.« Hannah tätschelte ihr die Hand. »Du tust dein Bestes unter schwierigen Bedingungen.«
»Allerdings. Ich habe innerhalb einer Woche eine Kindergesellschaft auf die Beine gestellt, und auch wenn Kerrichs Bedienstete allesamt gut arbeiten, die Hauptlast ist doch an mir hängen geblieben.« Pamela war gänzlich unbescheiden. »Der Empfang war natürlich ein enormer Erfolg, und es würde mich nicht überraschen, wenn die Königin bereits von Kerrichs Wohltätigkeit gehört hätte. Wir bekommen unser Erfolgshonorar vielleicht früher als erwartet.« Sie rieb sich in gespielter Gier die Finger. Dann wandte sie sich durchtrieben dem Thema zu, das Hannah am meisten am Herzen lag. »Aber ich bin nicht hergekommen, um über mich zu reden. Du musst mir erzählen, wie es mit der Akademie vorangeht.« Denn
dass Kerrich mich geküsst hat, wage ich dir nicht zu erzählen, wie es aussieht.
Hannah strahlte und berichtete überschwänglich und in allen Einzelheiten, wie sie eine der Schülerinnen Gewinn bringend auf eine Stelle vermittelt hatte.
Als sich Pamela zwei Stunden später das einfache Wolltuch um die Schultern legte, um zu ihrer Arbeitsstelle zurückzueilen, konnte sie sich beruhigt über die ersten Erfolge der Akademie freuen. Getrieben von vager Unruhe und einer nebulösen Vorfreude hastete sie davon.
Ihre Unruhe war leicht zu erklären. Obwohl es erst kurz nach Mittag war, hingen hoch am Himmel schon wieder die Wolken und trübten das sommerliche Tageslicht. Seit dieser gemeine Straßenräuber sie ausgeraubt hatte, war Pamela nicht mehr allein auf den Straßen Londons unterwegs gewesen. Einmal abgesehen von ihrem Herweg heute Morgen natürlich.
Wie froh sie war, als sie Hyde Park Gardens erreicht hatte! Und wie ihr das Herz klopfte, als die mächtige Fassade des Stadthauses in Sicht kam! Wie sicher sie sich unter ihrer frisch aufgelegten Maske fühlte! Ach nein, dieser Gedanke bestürzte sie nun doch sehr. Kerrich war ganz wie ihr Vater. Das war er! Sie fürchtete, sie könne auf seine Ausschweifungen und
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