Geliebte Betrügerin
fest.
»Miss Lockhart, hat er Ihnen eigentlich gesagt, warum er mich mitgenommen hat?«
»Du solltest Lord Kerrich nicht einen schlechten Verlierer nennen, Beth. Das ist unhöflich«, sagte Pamela. »Und nein, Lord Kerrich hat mich nicht darüber informiert, weshalb er dich an diesen völlig unpassenden Ort mitgenommen hat.« Sie funkelte Kerrich finster an.
Was er gar nicht bemerkte, weil er seinerseits Beth fixierte. »Ich bin heute Morgen aus gänzlich anderen Gründen hier im Schulzimmer«, sagte er.
»Ich habe bloß gedacht, Miss Lockhart könnte besser verstehen, warum Sie mich mitgenommen haben, wenn -«
Kerrich unterbrach Beth, ohne mit der Wimper zu zucken: »Ich habe sowohl gute als auch schlechte Nachrichten. Wir werden nicht auf meinen Landsitz in Norfolk reisen können.«
»Oh, nein!« Pamela hatte sich so darauf gefreut, ein paar Tage auf Sommerfrische zu sein und Beth das Landleben nahe zu bringen.
»Die gute Nachricht ist: Wir können nicht fahren, weil wir eine Einladung erhalten haben, die man nicht ablehnen kann.« Er zog mit großer Geste einen steifen Briefbogen aus der Tasche und zeigte ihnen beiden das Siegel. »Weil sie von Ihrer Majestät höchstpersönlich kommt!«
Pamela erbleichte und schnappte sich den Bogen.
Kerrich lachte in sich hinein. Er missdeutete ihr Entsetzen offenkundig als Begeisterung und proklamierte auswendig den Text, während Pamela noch las. »Ihre Majestät Königin Victoria, Souverän und Monarchin der Britischen Inseln, befiehlt die Anwesenheit Devon Mathewes, Earl of Kerrich, sowie seines Mündels Miss Elizabeth Hunter im Buckingham-Palast um vier Uhr Nachmittag in drei Tagen von heute an gerechnet.«
Pamela seufzte erleichtert. Sie war nicht mit eingeladen.
»Sind das vielleicht keine guten Neuigkeiten!«, rief Kerrich aus.
Beth machte nicht gerade den Eindruck, als ob ihr die Neuigkeiten »gut« erschienen. Sie wirkte eher panisch. Und Pamela hatte plötzlich ein schlechtes Gewissen. Sie würde Beth weder helfen noch sie aufmuntern können.
»Ich wusste es! Die Königin hat von Beths Kindergesellschaft gehört«, sagte Kerrich. »Eine von diesen schwatzhaften, liebenswerten Damen hat es ihr postwendend gesteckt.«
Pamela kniete neben Beth und stopfte ein paar lose Strähnen in die kurzen Zöpfe des Mädchens zurück. Sie war froh, nicht dabei sein zu müssen, aber zum Ausgleich würde sie Beth die nächsten drei Tage gnadenlos Instruktionen erteilen müssen.
»Victoria scheint vor Neugier fast zu platzen, sonst hätte sie uns nicht so schnell auf die Gästeliste gesetzt«, fuhr Kerrich fort. »Dieser Empfang wird schon seit Monaten vorbereitet.«
»Du hast die ganze Zeit alles richtig gemacht«, sagte Pamela zu Beth. »Du warst ja so tapfer.«
Kerrich plapperte ungerührt weiter: »Wobei ich eigentlich nicht eingeladen worden wäre, weil es sich um einen dieser Empfänge handelt, die in erster Linie ganzen Familien gelten und die Albert so wichtig sind. Und mich hat man offensichtlich nicht für geeignet gehalten, mit Elternpaaren und Kindern zusammenzutreffen.«
»Du ziehst dein hübschestes Kleid an, das mit den Rüschen, das du schon so lange einmal tragen wolltest«, erklärte Pamela der Kleinen.
»Ich wäre natürlich sowieso nicht hingegangen! Aber jetzt hat sich alles verändert. Und alles nur wegen Beth. Sehen Sie, Miss Lockhart, da steht der handschriftliche Zusatz an der Seite: ›Miss Elizabeth wird Ihrer Majestät um sechs Uhr vorgestellt werden‹.« Kerrich schaute sich die Szene genauer an und begriff, dass etwas nicht stimmte. »Warum so unglücklich?«, fragte er.
Sein mangelndes Einfühlungsvermögen verärgerte Pamela. »Mylord, Sie benehmen sich ganz wie der Hahn, der glaubt, die Sonne ginge nur auf, um ihn krähen zu hören!«, giftete sie ihn an.
Er schien verblüfft. Doch nicht einmal Pamelas freche Bemerkung konnte seinen Überschwang bremsen. »Gut, ich habe einfach so dahingeredet. Aber ich bin schlicht begeistert. Beth und Sie haben das alles sehr gut gemacht.« Er betrachtete Beths bleiches Gesichtchen. »Was hast du denn?«
»Sie ist noch nie zuvor der Königin vorgestellt worden«, sagte Pamela.
»Natürlich nicht. Das war ja gerade der Gedanke, der dahinter steckte.«
»Sie ist nervös.«
»Bin ich, ja«, sagte Beth mit dünnem Stimmchen.
»Nervös? Du?« Es war offenkundig, dass Kerrich derartige Gefühlsregungen fremd waren. »Aber du fürchtest dich doch nicht einmal vor mir! Warum solltest du dich vor der
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