Geliebte der Nacht
dampfenden Wasser seiner Dusche trat Sie drehte die Brause zu und trocknete sich ab, wobei sie sich wünschte, das heiße Wasser hätte wenigstens einen Teil der Gekränktheit und Verwirrung weggespült, die sie empfand. Da gab es so vieles, womit sie sich auseinandersetzen musste. Und die Tatsache, dass Lucan nicht die Absicht hatte, mit ihr zusammen zu sein, stellte nicht unbedingt das kleinste Problem dar.
Sie versuchte sich zu sagen, dass er ihr von vornherein keine Versprechungen gemacht hatte, aber das führte bloß dazu, dass sie sich wie ein noch größerer Dummkopf vorkam. Er hatte sie nie darum gebeten, dass sie ihr Herz unter seinen Stiefelabsatz legte – das hatte sie ganz von allein getan.
Gabrielle beugte sich näher zum Spiegel, der die gesamte Breite des Badezimmers einnahm. Sie strich ihr Haar zurück, um einen genaueren Blick auf das karmesinrote Muttermal unter ihrem linken Ohr zu werfen. Oder nicht Muttermal, sondern vielmehr ihr Stammesgefährtinnenmal, korrigierte sie sich und betrachtete die kleine Träne, die in die Wiege eines zunehmenden Mondes zu fallen schien.
Durch irgendeine Ironie des Schicksals war sie mit Lucans Welt durch das winzige Mal auf ihrem Hals verbunden, und zugleich war es das Einzige, was sie daran hinderte, mit ihm zusammen zu sein.
Vielleicht war sie eine Komplikation, die er nicht wollte und wahrlich nicht gebrauchen konnte, aber ihr Leben war ja auch nicht gerade ein Spaziergang, seit sie ihm begegnet war.
Wegen Lucan war sie in einen blutigen Unterweltkrieg verwickelt, der die übelsten Ghetto-Gangs aus den Elendsvierteln der Stadt wie Schulkinder aussehen ließ. Sie besaß eine der hübschesten Wohnungen in Beacon Hill, die sie praktisch aufgegeben hatte und die sie bald endgültig verlieren würde, wenn sie nicht schleunigst zurückging und sich ihrer Arbeit widmete, sodass sie ihre Rechnungen bezahlen konnte. Die Menschen, mit denen sie befreundet war, hatten keine Ahnung, wo sie sich befand, und wenn sie es ihnen sagte, ging sie wahrscheinlich das Risiko ein, dass sie ihr Leben verloren.
Und zur Krönung des Ganzen war sie auch noch in den düstersten, tödlichsten, emotional verschlossensten Mann verknallt, den sie je kennengelernt hatte.
Der ganz nebenbei auch noch ein blutsaugender Vampir war.
Zum Teufel – wenn sie schon ehrlich war, dann ganz. Sie war nicht bloß in Lucan verknallt. Sie hatte sich vollkommen, rettungslos und bis über beide Ohren in ihn verliebt. Und sie würde niemals darüber hinwegkommen.
„Super“, sagte sie zu ihrem unglücklichen Spiegelbild. „Einfach brillant, verdammt.“
Selbst nach allem, was er gesagt hatte, wünschte sie sich nichts sehnlicher, als zu ihm zu laufen, wo auch immer er sich befand, und sich in seine Arme zu werfen. Das war der einzige Ort, an dem sie überhaupt Trost finden konnte.
Na sicher. Als bräuchte sie unbedingt auch noch eine öffentliche Demütigung zusätzlich zu der persönlichen, mit der sie immer noch fertig zu werden versuchte. Lucan hatte es doch ganz deutlich klargestellt: Was auch immer zwischen ihnen gewesen war – falls es außer dem Körperlichen wirklich etwas gegeben hatte –, war vorbei.
Gabrielle ging in Lucans Schlafzimmer zurück und holte ihre Klamotten und Schuhe. Sie zog sich schnell an. Sie wollte aus Lucans Privatquartier verschwinden, ehe er zurückkam und sie etwas wirklich Dummes tat. Nun ja – nach einem raschen Blick auf das Bettzeug, das noch immer zerwühlt von ihrem Sex war, änderte sie ihren Satz in ,etwas noch Dümmeres‘.
Gabrielle verließ das Zimmer mit der Absicht, nach Savannah zu suchen. Vielleicht fand sie auch eine Telefonverbindung, die aus dem Quartier herausführte, da Lucan es nicht für angebracht gehalten hatte, ihr das Mobiltelefon zurückzugeben. Der Korridor mit seinem Netz aus Abzweigungen war ziemlich verwirrend, vermutlich sogar mit Bedacht so angelegt. Sie war schon einige Male falsch abgebogen, bevor sie ihre Umgebung wiedererkannte. Sie musste sich in der Nähe der Trainingsanlage befinden, denn sie hörte das scharfe, abgehackte Knallen von Munition, die auf eine Zielscheibe traf.
Sie bog um eine Ecke und prallte unvermittelt gegen eine unnachgiebige Mauer aus Leder und Waffen, die mitten im Weg stand.
Gabrielle sah hoch, und dann noch ein gutes Stück weiter hoch, da traf sie eine eisige Drohung aus schmalen grünen Augenschlitzen. Unter nachlässig fallendem lohfarbenem Haar waren kalte, abschätzende Augen auf sie geheftet.
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