Geliebte der Nacht
wahre Verbündete erwiesen, hatte ihn sogar vor den anderen Kriegern gedeckt. Sie hatte ihn vergangene Nacht unterstützt, als er seine persönliche kleine Hölle erlebt hatte, war für ihn da gewesen, so zärtlich und liebevoll, wie es sich ein Mann von seiner geliebten Gefährtin nur wünschen konnte.
Gefährlicher Gedanke, ganz gleich, wie er die Sache betrachtete.
Er führte die Diskussion über den Angriff fort und stimmte zu, dass sie die Rogues dort erwischen sollten, wo sie hausten, statt sie einzeln zu erledigen, wenn sie ihnen auf der Straße über den Weg liefen. „Wir treffen uns also bei Sonnenuntergang, um uns auszurüsten und auf den Weg zu machen.“
Die Gruppe der Krieger begann sich zu unterhalten, während sie sich auflöste. Tegan schlenderte als Letzter hinterher.
Lucan dachte über den stoischen Einzelgänger nach, der so schrecklich stolz darauf war, dass er niemanden brauchte. Tegan hielt sich bewusst im Hintergrund, abseits. Aber er war nicht immer so gewesen. Früher war er ein Ass, ein geborener Anführer. Er hätte bedeutend sein können – und war es auch gewesen. Aber das hatte sich im Laufe einer einzigen schrecklichen Nacht geändert. Damals begann eine steile Abwärtsspirale. Tegan war auf dem Boden aufgeschlagen und hatte sich niemals davon erholt.
Und obwohl er es dem Krieger nie eingestanden hatte, würde Lucan sich niemals die Rolle verzeihen, die er selbst bei diesem Absturz gespielt hatte.
„Tegan. Warte.“
Sichtlich widerstrebend blieb der Vampir stehen. Er drehte sich nicht um, stand nur schweigend da, und sein Rücken zeigte arrogante Abwehr, während die anderen Krieger nacheinander die Trainingsanlage verließen. Als sie allein waren, räusperte sich Lucan und sprach seinen Gen-Eins-Bruder leise an.
„Wir beide haben ein Problem, Tegan.“
Dieser atmete scharf aus. „Ich gehe und informiere die Presse.“
„Diese Sache zwischen uns wird nicht verschwinden. Es geht schon zu lange so, und zu viel Wasser ist den Fluss heruntergeflossen. Wenn du das Bedürfnis hast, die Rechnung mit mir zu begleichen –“
„Vergiss es. Das ist kalter Kaffee.“
„Nicht, wenn wir es nicht begraben können.“
Tegan schnaubte spöttisch und drehte sich endlich um, um Lucan anzusehen. „Willst du auf irgendwas hinaus, Lucan?“
„Ich will nur sagen, dass ich allmählich zu verstehen beginne, was es dich gekostet hat. Was ich dich gekostet habe.“ Lucan schüttelte langsam den Kopf und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. „Tegan, du musst wissen – wenn es irgendeinen anderen Weg gegeben hätte … Wenn die Sache anders gelaufen wäre –“
„Du lieber Himmel. Versuchst du dich bei mir zu entschuldigen?“ Tegans grüne Augen waren so hart, dass man mit ihnen hätte Glas schneiden können. „Erspar mir deine Betroffenheit, Mann. Sie kommt ungefähr fünfhundert Jahre zu spät. Und eine Entschuldigung verändert nicht das kleinste verdammte bisschen, oder?“
Lucan biss die Zähne zusammen und staunte, dass der große Mann echte Wut zeigte statt der üblichen kalten Gleichgültigkeit.
Tegan hatte ihm nicht vergeben. Nicht im Entferntesten.
Und nach all der Zeit hielt es Lucan nicht für wahrscheinlich, dass er das je tun würde.
„Nein, Tegan. Du hast recht. Eine Entschuldigung verändert gar nichts.“
Tegan starrte ihn lange an. Dann drehte er sich um und marschierte aus dem Raum.
Live-Musik dröhnte aus den kühlschrankgroßen Verstärkern in dem privaten unterirdischen Nachtclub – auch wenn ,Musik‘ eine zu großzügige Umschreibung für das erbärmliche Gejaule und die disharmonischen Gitarrenriffs der Band war. Sie bewegten sich roboterhaft auf der Bühne, lallten ihre Worte und waren meistens aus dem Takt. Kurz gesagt, sie waren mies.
Aber andererseits, wer konnte erwarten, dass Menschen mit Sachverstand spielten und sangen, wenn das Publikum eine Meute von blutdurstigen, blutsaugenden Vampiren war?
In den Schatten, die ihn verbargen, blickte der Anführer der Rogues finster drein. Er hatte schon starke Kopfschmerzen gehabt, als er vor Kurzem eingetroffen war; nun fühlten sich seine Schläfen an, als stünden sie kurz vor der Explosion. Gelangweilt von den blutrünstigen Feierlichkeiten lehnte er sich in die Kissen seiner privaten Kabine. Ein leichtes Heben seiner Hand ließ einen seiner Wachtposten zu ihm eilen. Er machte eine geringschätzige Bewegung in Richtung der Bühne.
„Erlöse sie jemand aus ihrem Elend. Ganz zu schweigen von
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