Geliebte der Nacht
fuchtelte immer heftiger mit seinen bandagierten Gliedern und bemühte sich verzweifelt, trotz seiner Verletzungen zu sprechen.
„Wie hast du die Übereinkunft getroffen, Eva? Wie hast du Kontakt zu den Rogues aufgenommen – auf einem deiner Tagesausflüge an die Oberfläche?“
Sie stieß ein spöttisches Lachen aus. „Das war nicht schwer. Lakaien laufen in der ganzen Stadt herum. Man muss nur nach ihnen suchen. Ich habe einen gefunden und ihm gesagt, er soll für mich Kontakt mit seinem Meister herstellen.“
„Wer war das?“, fragte Lucan. „Wie sah er aus?“
„Ich weiß nicht. Wir haben uns nur einmal getroffen, und er hat sein Gesicht verborgen gehalten. Er trug eine dunkle Brille und hatte die Lampen in dem Hotelzimmer ausgeschaltet. Es war mir gleichgültig, wer er war oder wie er aussah. Alles, was zählte, war, dass er genug Einfluss besaß, um die Sache anzuleiern. Ich wollte nur sein Versprechen.“
„Ich kann mir denken, was du ihm dafür bezahlen musstest.“
„Es waren nur ein paar Stunden mit ihm. Ich hätte jeden Preis gezahlt“, erklärte sie. Jetzt sah sie Lucan nicht mehr an, auch keinen der anderen, die sie angewidert anstarrten, sondern blickte auf Rio hinunter. „Ich würde alles für dich tun, mein Liebling. Ich würde … alles ertragen.“
„Du hast vielleicht mit deinem Körper gehandelt“, meinte Lucan, „aber es war Rios Vertrauen, das du verkauft hast.“
Ein krächzendes Geräusch entwich Rios aufgesprungenen Lippen, als Eva gurrende Laute von sich gab und ihn liebkoste. Seine Augenlider öffneten sich flatternd. Er atmete flach und keuchend, als er Worte zu bilden versuchte.
„Ich …“ Er hustete, und sein gequälter Körper verkrampfte sich. „Eva …“
„O mein Geliebter – ja, ich bin hier!“, weinte sie. „Sag mir, was du brauchst, Schatz. Sprich mit mir, Rio.“
„Eva …“ Seine Kehle arbeitete einen Moment lang stumm, dann versuchte er es erneut. „Ich … verurteile … dich.“
„Was?“
„Tot …“ Er stöhnte. Ohne Zweifel ging seine Seelenqual tiefer als die seines Körpers, aber der wilde Blick in seinen trüben, blutunterlaufenen Augen zeigte, dass nichts ihn vom Sprechen abhalten würde. „Existierst nicht mehr … für mich … du bist tot.“
„Rio, versteh doch – ich habe das für uns getan!“
„Verschwinde“, keuchte er. „Dich … nie … Wiedersehen …“
„Du kannst das nicht so meinen.“ Sie hob den Kopf, und ihr Blick schoss wild von einem zum anderen. „Er meint es nicht so! Das kann nicht sein! Rio, sag mir, dass du das nicht so meinst!“
Als sie nach ihm zu greifen versuchte, knurrte Rio. Er nutzte die wenige Kraft, die er besaß, um ihrer Berührung auszuweichen. Eva schluchzte auf. Blut aus seinen Wunden bedeckte die Vorderseite ihrer Kleidung. Sie starrte auf die Flecken hinab und dann wieder zu Rio, der sich von ihr abgewandt hatte und nun ganz unnahbar dalag.
Was dann geschah, dauerte höchstens ein paar Sekunden, aber es spielte sich wie in Zeitlupe ab, als habe die Zeit sich zu einem gnadenlosen Schneckentempo verlangsamt.
Evas verzweifelt umherirrender Blick fiel auf Rios Waffengurt, der neben dem Bett lag.
Ein Ausdruck der Entschlossenheit huschte über ihr Gesicht, als sie sich auf eine der Klingen stürzte.
Sie hob den glänzenden Dolch in die Höhe.
Und flüsterte Rio zu, dass sie ihn immer lieben würde.
Dann drehte Eva die Waffe in ihrer Hand und fuhr sich damit an die Kehle.
„Eva, nein!“, schrie Gabrielle, und ihr Körper machte einen reflexartigen Ruck, als wollte sie die andere Frau retten. „O mein Gott, nein!“
Lucan hielt sie fest. Er zog sie rasch in die Arme und drückte ihr Gesicht gegen seine Brust. Schützte sie davor, mit ansehen zu müssen, wie Eva ihre eigene Halsschlagader durchtrennte und blutend und leblos zu Boden fiel.
28
Gabrielle stieg aus der Dusche in Lucans Privatquartier, trocknete sich die nassen Haare ab und schlüpfte in einen weißen Frotteebademantel. Sie war hungrig und erschöpft. Den größten Teil des Tages hatten sie, Savannah und Danika damit verbracht, Gideon beim Behandeln von Rio und Lucan zu helfen. Alle im Quartier waren fassungslos über Evas Verrat und die tragischen Folgen – ihren Selbstmord und den bedenklichen Zustand von Rio, der um sein Leben kämpfte. In einem Zustand benommenen Unglaubens taten sie, was nötig war, und sprachen wenig.
Lucan war ebenfalls in einem schlechten Zustand, aber gemäß seinem Wort und seinem
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