Geliebte der Nacht
verschwunden“, bemerkte Dante in die Runde hinein und ließ seinen Daumen über die geschwungene Schneide seiner Klinge gleiten. „Wie lange ist das jetzt her – drei, vier Tage?“
Es waren vier Tage, und bald würden es fünf sein.
Aber wer zum Teufel zählte mit?
Antwort: Sie alle, aber niemand äußerte laut die Besorgnis, die in letzter Zeit unter den Mitgliedern ihrer Gruppe herrschte. Und Lucan selbst musste sich zwingen, die Gehässigkeit, die ihn überkam, wenn er an Tegan dachte, zu unterdrücken. Tegan war der größte Einzelgänger unter ihnen, ein wahrer Einsiedler.
Er hatte es schon immer vorgezogen, alleine auf die Jagd zu gehen, aber seine Verschlossenheit begann die anderen mehr und mehr zu nerven. In letzter Zeit war er immer unberechenbarer geworden, und um ganz ehrlich zu sein, fiel es Lucan schwer, ihm zu vertrauen – nicht dass er ihm je völlig über den Weg getraut hätte. Zwischen ihnen beiden herrschte ohne Zweifel eine gewisse Feindschaft, aber die Ursache dafür gehörte der Vergangenheit an. Musste ihr auch angehören, denn der Krieg, dem sie sich beide vor so langer Zeit verpflichtet hatten, war wichtiger als ihre feindseligen Gefühle füreinander.
Dennoch beobachtete der Vampir ihn genau. Lucan kannte Tegans Schwächen besser als jeder andere. Und er würde nicht zögern, Maßnahmen zu ergreifen, wenn Tegan die Grenze auch nur mit einer Zehenspitze überschritt.
Die Labortüren gingen erneut auf, und herein kam, endlich, Rio, der eben den losen Zipfel eines eleganten weißen Designerhemdes in eine maßgeschneiderte schwarze Hose steckte. Einige der Knöpfe fehlten, aber Rio trug seine durch das Schäferstündchen mit seiner Gefährtin leicht derangierte Erscheinung mit der gleichen Lässigkeit zur Schau, die ihn in allem umgab, was er tat. Unter den Strähnen seines dichten schwarzen Haars, die in seine Stirn hingen, tanzten die topasfarbenen Augen des Spaniers. Als er lächelte, schimmerten die Spitzen seiner Fangzähne, die nach dem leidenschaftlichen Tête-à-tête mit seiner Gefährtin immer noch ausgefahren waren. „Ich hoffe, ihr habt mir ein paar Rogues übrig gelassen, meine Freunde.“ Er rieb seine Hände gegeneinander. „Ich fühle mich gut – lasst uns loslegen!“
„Setz dich“, sagte Lucan gedehnt. „Und versuche Gideons Computer nicht ganz vollzubluten.“
Rios lange Finger wanderten zu dem karmesinroten Fleck an seiner Kehle, wo Eva ihn offenbar gebissen hatte, um von seinem Blut zu trinken. Obwohl sie eine Stammesgefährtin war, war sie trotzdem genetisch ein Mensch. Auch wenn sie und die anderen Stammesgefährtinnen schon viele Jahre mit ihren Gefährten zusammen waren, wuchsen bei ihnen weder Fangzähne noch nahmen sie andere Eigenschaften der Vampire an. Es war jedoch eine weithin akzeptierte Praktik, dass ein Vampir seine Gefährtin aus einer selbst zugefügten Wunde an seinem Handgelenk oder Unterarm trinken ließ. Die Leidenschaft der Stammeskrieger ebenso wie die der von ihnen erwählten Frauen loderte wild. Sex und Blut waren eine mächtige Kombination – manchmal zu mächtig.
Grinsend und ohne jede Spur von Scham lümmelte sich Rio auf einen der Drehstühle und lehnte sich nach hinten, seine großen nackten Füße auf die Plexiglaskonsole aufgestützt. Er und die anderen Krieger begannen, über die Ausbeute der vorigen Nacht zu sprechen, lachten gemeinsam, als sie einander mit ihren Taten zu übertrumpfen versuchten, und diskutierten über spezielle Techniken ihres Berufs.
Während die Jagd auf die Feinde einigen Mitgliedern des Stammes Vergnügen bereitete, war Lucans eigene Motivation schlicht und einfach Hass. Er verachtete die Rogues zutiefst und hatte vor langer Zeit geschworen, ihre gesamte Art auszulöschen – oder aber bei dem Versuch, das zu tun, zu sterben. An manchen Tagen spielte es für ihn keine Rolle, was davon zuerst kam.
„Jetzt geht es los“, sagte Gideon schließlich, als die Aufzeichnungen, die über seinen Bildschirm rollten, stoppten. „Sieht aus, als seien wir auf eine Goldader gestoßen.“
„Was hast du gefunden?“
Lucan und die anderen richteten ihre Aufmerksamkeit auf einen überdimensionalen Flachbildschirm über der Mikroprozessorenreihe des Labors. Die Gesichter der vier Rogues, die Lucan in der Nähe des Nachtclubs getötet hatte, erschienen auf dem Display, außerdem eines der Bilder von Gabrielles Handy, die sie von ihnen gemacht hatte.
„Die IID-Aufzeichnungen haben sie alle als vermisste
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