Geliebte der Nacht
eingesetzt.
Aber das machte die hässliche Realität dessen, was Conlan widerfahren war, nicht einfacher zu verdauen.
„Das war kein Lakai“, entgegnete Niko mit einem Kopfschütteln. „Es war ein Rogue mit genügend TATP am Leib, um einen halben Wohnblock auszulöschen, wenn man danach geht, wie es aussah und roch.“
Lucan war nicht der Einzige im Raum, der bei dieser beunruhigenden Neuigkeit einen wilden Fluch ausstieß.
„Also begnügen sie sich nicht mehr damit, nur Lakaien als Bauernopfer zu bringen?“, bemerkte Rio. „Fahren die Rogues jetzt größere Geschütze auf?“
„Es sind trotzdem Bauernopfer“, meinte Gideon.
Lucan warf dem schnell denkenden Vampir einen Blick zu und verstand, worauf er hinauswollte. „Die Schachfiguren haben sich nicht verändert. Aber die Regeln. Das hier ist eine neue Art Kriegsführung, nicht mehr die kleineren Feuerwehreinsätze, mit denen wir es in der Vergangenheit zu tun hatten. Jemand in den Reihen der Rogues bringt ein gewisses Maß an Ordnung in die Anarchie. Wir werden belagert.“
Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder Conlan zu, dem ersten Opfer in einer, wie er fürchtete, neuen dunklen Ära, die nun anbrach. In seinen uralten Knochen spürte er, wie die Gewalt einer lange vergangenen Vorzeit sich von Neuem erhob, um die Geschichte zu wiederholen. Erneut braute sich ein Krieg zusammen, und wenn die Rogues Anstalten machten, sich zu organisieren, zum Angriff überzugehen, dann würde das gesamte Vampirvolk sich an den Frontlinien wiederfinden. Und auch die Menschen.
„Wir besprechen das noch genauer, aber nicht jetzt. Diese Zeit gehört Conlan. Lasst uns ihn ehren.“
„Ich habe mich schon verabschiedet“, murrte Tegan. „Conlan weiß, dass ich im Leben höllischen Respekt vor ihm hatte, und so bleibt es im Tod. Nichts wird sich je daran ändern.“
Mit spürbar angespannter Beklommenheit warteten alle im Raum, wie Lucan auf Tegans schroffen Abgang reagieren würde. Aber Lucan ließ sich nichts anmerken. Er gönnte dem Vampir nicht die Genugtuung, ihn verärgert zu haben, auch wenn das der Fall war. Ruhig wartete er, bis Tegans schwere Schritte durch den Gang verklungen waren, dann nickte er den Kriegern zu, das Ritual wieder aufzunehmen.
Lucan und die vier anderen sanken nacheinander auf die Knie, um Conlan die letzte Ehre zu erweisen. Sie sprachen ein Gebet, dann erhoben sie sich gemeinsam. Die Krieger zogen sich zurück, bis die große Schlusszeremonie anstand, die ihren gefallenen Kameraden zur Ruhe geleiten sollte.
„Ich bin der, der ihn nach oben trägt“, kündigte Lucan an, als die anderen hinausgingen.
Er sah, wie sie Blicke wechselten, und wusste, was das hieß. Die Älteren der Vampirrasse – insbesondere Gen-Eins-Angehörige – wurden niemals gebeten, die Last der Toten zu tragen. Diese Pflicht oblag den Angehörigen späterer Generationen, die weiter von der reinen Blutlinie der Alten entfernt waren. Denn dadurch konnten sie den brennenden Strahlen der aufgehenden Sonne so lange widerstehen, wie man brauchte, um einen Vampir anständig zur Ruhe zu betten.
Für einen Gen-Eins-Angehörigen wie Lucan bedeuteten die Begräbnisriten, in denen er der Sonne ausgesetzt war, acht Minuten Folterqualen.
Lucan starrte die leblose Gestalt auf dem Tisch an. Er wollte sich nicht von den Verletzungen abwenden, die Conlan erlitten hatte.
An seiner Stelle erlitten hatte, dachte Lucan. Das Wissen, dass eigentlich er selbst mit Niko auf Patrouille hätte sein sollen, machte ihn ganz elend. Hätte er den Highlander nicht in letzter Minute als Ersatz für sich losgeschickt, dann läge jetzt Lucan auf dieser kalten Metallplatte, Glieder, Gesicht und Rumpf verkohlt vom höllischen Feuer, den Bauch von Metallsplittern aufgerissen.
Lucans Verlangen, Gabrielle zu besuchen, war stärker gewesen als seine Verpflichtung gegenüber dem Stamm, und Conlan – wie auch seine trauernde Witwe – hatte den allerhöchsten Preis dafür bezahlt.
„Ich bringe ihn an die Oberfläche“, wiederholte er entschlossen. Er warf Gideon einen düsteren Blick zu. „Ruf mich, wenn die Vorbereitungen abgeschlossen sind.“
Der Vampir neigte den Kopf, womit er Lucan mehr Respekt zollte, als ihm in diesem Moment eigentlich zustand. „Natürlich. Es wird nicht lange dauern.“
Lucan verbrachte die nächsten Stunden allein in seinem Privatquartier. Er kniete in der Mitte des Raums, den Kopf tief gesenkt, betete und brütete vor sich hin. Dann erschien wie versprochen
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