Geliebte der Nacht
Rogues.
Die zwei wirbelten herum und enteilten durch eine Schwingtür, um das Gepäck zu holen, das draußen im Gang wartete. Schnell waren sie zurück und zerrten mehrere lethargische, fast völlig ausgeblutete Menschen hinter sich her. Die Männer und Frauen, insgesamt sechs, waren an den Handgelenken zusammengebunden und trugen lockere Fußfesseln, auch wenn keiner von ihnen imstande schien, einen Fluchtversuch auch nur zu erwägen.
Katatonische Blicke starrten ins Nichts. In den bleichen Gesichtern hingen die Unterkiefer schlaff herab, unfähig zu schreien oder zu sprechen. Am Hals trugen sie blutige Male, wo ihre Entführer zugebissen hatten, um sie unter Kontrolle zu bringen.
„Für Euch, Sire. Frische Bedienstete für die Sache.“
Das halbe Dutzend Menschen wurde wie Vieh in den Raum getrieben – und genau das waren sie: Rohstoffe aus Fleisch und Blut, die er nach seinem Gutdünken zur Arbeit oder in den Tod schicken konnte.
Er warf einen mäßig interessierten Blick auf den Fang des Abends. Träge schätzte er die zwei Männer und vier Frauen auf ihr Potenzial als Bedienstete ab. Mit leichter Ungeduld näherte er sich dem armseligen Haufen. Aus einigen der Halswunden sickerte noch frisches Blut.
Er entschied, dass er Hunger hatte. Sein prüfender Blick erhellte sich beim Anblick einer kleinen, brünetten Frau mit Schmollmund und reifen, vollen Brüsten, um die sich das trübe Seegrün ihrer sackartigen, schlecht sitzenden Krankenhauskleidung spannte. Ihr Kopf sackte immer wieder zur Seite, zu schwer, um ihn aufrechtzuhalten, auch wenn sie offensichtlich noch gegen die Apathie ankämpfte, die die anderen bereits ergriffen hatte. Ihr Blick war teilnahmslos, die Augen nach oben verdreht, dennoch wehrte sie sich gegen den Sog der Katatonie und blinzelte benommen, um bei Bewusstsein und wachsam zu bleiben.
Er konnte nicht umhin, ihren Schneid zu bewundern.
„K. Delaney, staatlich geprüfte Krankenschwester“, sinnierte er laut, als er das Plastiknamensschild las, das über der Rundung ihrer linken Brust befestigt war.
Er nahm ihr Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger und hob ihr Gesicht, um sie besser ansehen zu können. Sie war hübsch und jung. Und ihre sommersprossige Haut roch süß, saftig. Ihm lief gierig das Wasser im Mund zusammen, und seine Pupillen verengten sich hinter der Tarnung seiner dunklen Sonnenbrille.
„Die hier bleibt hier. Bringt den Rest nach unten in die Käfige.“
Zuerst dachte Lucan, das durchdringende Schrillen sei Teil der Agonie, die er seit Stunden durchlief. Sein gesamter Körper fühlte sich versengt, geschunden und tot an. Sein Kopf hatte irgendwann aufgehört zu hämmern und quälte ihn nun mit einem anhaltenden klingelnden Schmerz.
Er befand sich in seinem Privatquartier, in seinem eigenen Bett, so viel wusste er. Er erinnerte sich, wie er sich mit dem allerletzten Rest seiner Kraft dorthin geschleppt hatte, nachdem er die vollen acht Minuten, die gefordert waren, oben bei Conlans Leichnam geblieben war.
Er war sogar noch länger geblieben, hatte heroisch weitere sengende Sekunden erduldet, bis die Strahlen der aufgehenden Sonne das Leichentuch des gefallenen Kriegers in Brand gesetzt hatten und eine eindrucksvolle Explosion aus Licht und Flammen erfolgte. Da erst hatte er sich aufgemacht und in den unterirdischen Mauern des Quartiers Schutz gesucht.
Die zusätzliche Zeit, die er dem Tageslicht ausgesetzt gewesen war, war seine persönliche Entschuldigung an Conlan gewesen. Der Schmerz, den er nun ertrug, war dazu gedacht, dass er nie mehr vergaß, was wirklich zählte: seine Pflicht gegenüber dem Stamm und dem Orden aus ehrenhaften Männern, die sich dem gleichen Dienst verschworen hatten. Da blieb kein Platz für anderes.
Vergangene Nacht hatte er diesen Eid vernachlässigt, und nun war einer seiner besten Krieger tot.
Wieder gellte dieses Klingeln durch den Raum. Es kam von irgendwo ganz in der Nähe seiner Liegestatt. Das Schrillen traf seinen vor Schmerz berstenden Schädel wie ein Pressluftbohrer.
Mit einem gezischten Fluch, der es kaum durch seine ausgedörrte Kehle schaffte, öffnete Lucan mühsam die Augen und starrte ins Dunkel seines privaten Schlafzimmers. In der Tasche seiner Lederjacke blinkte ein kleines Lämpchen auf, als das Mobiltelefon erneut klingelte.
Taumelnd, da seine Beine ihre sonst so athletische Koordination verweigerten, kämpfte er sich aus dem Bett und hechtete schwerfällig auf das unverschämte Gerät zu. Nach nur drei
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