Geliebte der Nacht
auf den Couchtisch, wobei ihre Hände nur ganz leicht zitterten. „Ich will heute Nacht nirgends mehr hin. Bitte, Megan. Ich brauche nur ein bisschen Ruhe. Ich bin so müde.“
Megan ergriff Gabrielles Hand und drückte sie sanft. „Na, gut. Ich hole dir ein Kissen und noch eine Decke. Du musst nirgendwohin, wenn du nicht dazu bereit bist, meine Süße. Ich bin nur froh, dass du unversehrt bist.“
„Du kannst von Glück sagen, dass du entkommen bist“, warf Ray ein, als Megan Gabrielles Becher nahm und in die Küche brachte, um dann auf einen Wäscheschrank am Ende des Flurs zuzusteuern. „Jemand anders hat vielleicht nicht so viel Glück. Nun, ich bin nicht im Dienst, und du bist Megs Freundin, also werde ich dich nicht zwingen, aber du hast die Pflicht, den Kerl anzuzeigen. Bei dem, was er heute Nacht getan hat, sollte er nicht ungeschoren davonkommen.“
„Er wird niemandem mehr etwas tun“, flüsterte Gabrielle. Zwar sprachen sie die ganze Zeit über den Kerl, der sie mit der Waffe bedroht hatte, aber sie wurde den Gedanken nicht los, dass sie fast dasselbe auch über Lucan hätten sagen können.
Er konnte sich nicht erinnern, wie er zum Quartier zurückgekommen war oder wie lange er schon hier war. Wenn er zum Anhaltspunkt nahm, wie sehr er im Waffenraum der Trainingsanlage ins Schwitzen gekommen war, mussten es Stunden gewesen sein.
Der Raum war düster, da Lucan gar nicht erst Licht gemacht hatte. Seine Augen taten ihm auch in der Dunkelheit schon weh genug. Alles, was er brauchte, war das Schmerzen seiner Muskeln, die er zu unablässiger Anstrengung zwang. Sinn der Übung war, die Kontrolle über seinen Körper wiederzuerlangen, während sein Organismus langsam runterkam. Er war der Blutgier gefährlich nahe gekommen.
Lucan griff nach einem der Dolche auf dem Tisch neben ihm, und seine Finger strichen über die rasiermesserscharfe Schneide. Er drehte sich, bis der lange, schmale Zielübungs-Gang der Trainingsanlage vor ihm lag. Das Ziel am Ende dieser Strecke konnte er nur erspüren, doch als er die Klinge in die Dunkelheit schickte, meldete ihm der harte Knall einen Volltreffer genau ins Zentrum der Scheibe.
„Ja, zum Teufel“, murmelte er ins Dunkel.
Seine Stimme klang immer noch rau, und seine Fangzähne waren noch nicht wieder verschwunden. Aber seine Zielsicherheit hatte sich sehr verbessert. Seine letzten paar Versuche mit den Klingen waren nur um Haaresbreite am Volltreffer vorbeigegangen. Und er gedachte nicht aufzuhören, bis er die Folgen seiner Nahrungsaufnahme vollends überwunden hatte. Das allerdings konnte noch dauern, dachte er und fühlte sich noch immer krank, weil er fast eine Überdosis Blut zu sich genommen hatte.
Lucan ging zur Zielscheibe, um sich seine Waffe zurückzuholen. Er zog den Dolch heraus und bemerkte mit Genugtuung, wie tief die Wunde gewesen wäre, die er einem Rogue oder Lakaien damit zugefügt hätte, wäre sein Ziel nicht eine harmlose Scheibe gewesen.
Als er zurückkam, um eine weitere Runde zu üben, hörte er vor sich ein leises Klicken. Dann durchflutete sengendes Licht die gesamte Trainingsanlage.
Lucan prallte zurück. Von der plötzlichen Helligkeitsattacke drohte sein Kopf zu explodieren. Er versuchte den gleißenden Nebel wegzublinzeln und zwinkerte mit zusammengekniffenen Augen in das grelle Licht. Die Spiegelwände, die den Bereich für Verteidigung und Waffentraining säumten, reflektierten und vervielfältigten das schmerzhafte Leuchten. Doch dann erkannte er die große Gestalt eines anderen Vampirs, der mit einer kräftigen Schulter an der Wand lehnte.
Einer der Krieger hatte ihn aus den Schatten beobachtet.
Tegan.
Verdammt. Wie lange stand er schon dort?
„Geht es dir gut?“, fragte Tegan, teilnahmslos wie immer in seinem dunklen T-Shirt und der locker sitzenden Jeans. „Wenn dir das Licht zu hell ist –“
„Schon gut“, knurrte Lucan. Sternenregen blendete ihn, als er versuchte, sich auf die Beleuchtung einzustellen. Er hob den Kopf und zwang sich, Tegans Blick quer durch den Baum zu begegnen. „Ich wollte sowieso gerade gehen.“
Tegans Blick blieb auf ihn geheftet. Seine Miene war zu vielsagend, als er Lucan unverblümt anstarrte. Dann blähten sich seine Nasenflügel leicht, und der ironisch verzogene Mund nahm einen überraschten Ausdruck an. „Du warst heute auf der Jagd. Und du blutest.“
„Und?“
„Und es sieht dir nicht ähnlich, einen Schuss abzubekommen. Normalerweise bist du dafür zu
Weitere Kostenlose Bücher