Geliebte der Nacht
sie, den Blick auf ihn geheftet und plötzlich krank vor Angst. „Bitte … Lucan, hör auf.“
Dann hörte das durchdringende Heulen auf und machte neuem Grauen Platz, als Lucan sich den zuckenden Körper vors Gesicht hielt und gemächlich seine Zähne in das Halsfleisch des Mannes grub. Ein Blutschwall spritzte aus der tiefen Wunde, das Rot tiefschwarz in der nächtlichen Dunkelheit des grauenhaften Szenarios. Lucan stand reglos da und hielt die Wunde, aus der das Blut schoss, an seinen Mund.
Er trank daraus.
„O mein Gott“, stöhnte Gabrielle und hielt sich die zitternden Hände vor den Mund, um einen Schrei zu unterdrücken. „Nein, nein, nein, nein … oh, Lucan … nein !“
Sein Kopf fuhr hoch, als habe er ihre leise Not gehört. Oder vielleicht hatte er plötzlich ihre Anwesenheit gespürt, keine hundert Meter weg von da, wo er stand, wild und Grauen erregend. Sie hatte noch nie zuvor etwas Derartiges gesehen.
Stimmt nicht , widersprach ihr gemarterter Verstand.
Sie hatte schon einmal solche Gewalt zu sehen bekommen. Damals hatte ihr gesunder Menschenverstand sich dagegen gewehrt, den Horror beim Namen zu nennen, doch nun stieg er wie ein kalter, rauer Wind in ihr auf.
„Vampir“, flüsterte sie und starrte Lucan in das blutverschmierte Gesicht und die wilden, glühenden Augen.
17
Blutgeruch hüllte ihn ein, beißend und metallisch. Das süße, kupferige Aroma flutete seine Nase. Zum Teil war es sein eigenes, wie er mit gedämpfter Neugier zur Kenntnis nahm. Er knurrte, als er die Schusswunde an seiner linken Schulter entdeckte.
Er spürte keinen Schmerz, nur die wachsende Energie, die ihn stets erfüllte, wenn er Nahrung zu sich genommen hatte.
Aber er wollte mehr.
Die Stimme der Bestie in ihm wurde lauter. Fordernder. Drängte ihn in Richtung der Grenze.
Andererseits – war er nicht ohnehin seit langer Zeit in diese Richtung gegangen?
Lucan biss die Zähne so fest zusammen, dass sie fast zerbrachen. Er musste sich zusammenreißen, musste so schnell wie möglich hier verschwinden und zum Quartier zurückkehren, wo er vielleicht in der Lage war, wieder zu sich zu finden.
Seit zwei Stunden streunte er durch die dunklen Straßen. Noch immer hämmerte das Blut hart in seinen Schläfen, Wut und Hunger beherrschten sein Bewusstsein fast ganz. In diesem Zustand bedeutete er Gefahr für alle und jeden, aber sein rastloser Körper kam einfach nicht zur Ruhe.
Er ging in der Stadt um wie ein Geist, bewegte sich, ohne bewusst zu denken, auch wenn seine Füße – alle seine Sinne – ihn zielstrebig zu Gabrielle lenkten.
Sie war nicht nach Hause gegangen, wie er es ihr gesagt hatte. Lucan war erst nicht sicher, wohin sie geflohen war, bis die unsichtbare Verknüpfung, die ihn durch Duft und Sinne mit ihr verband, ihn zu einem Wohnhaus am Nordende der Stadt führte. Bestimmt wohnte hier eine Freundin von ihr.
Licht drang aus einem Fenster im Obergeschoss, und er wusste, dass das bisschen Glas und Backstein alles war, was ihn von ihr trennte.
Aber er würde nicht versuchen, zu ihr zu gelangen. Nicht nur wegen des roten Mustangs mit dem Polizeilicht auf dem Armaturenbrett, der draußen parkte. Lucan brauchte sein Spiegelbild in der Windschutzscheibe nicht anzusehen, um zu wissen, dass die Pupillen im Zentrum seiner riesigen Iris noch immer Schlitze waren und seine Fangzähne aus seinen zusammengepressten Kiefern ragten.
Er sah ganz und gar nach dem Monster aus, das er war.
Das Monster, das Gabrielle heute Nacht mit eigenen Augen gesehen hatte.
Lucan ächzte, als er an ihre entsetzte Miene dachte. Immer wieder und wieder stand sie ihm vor Augen, seit er den Lakaien getötet hatte.
Er sah sie vor sich, wie sie zögernd einen Schritt zurückwich, die Augen vor Angst und Abscheu geweitet. Sie hatte ihn als das gesehen, was er wirklich war – hatte ihm sogar anklagend das Wort entgegengeschleudert, unmittelbar bevor sie die Flucht ergriff.
Er hatte sie nicht aufzuhalten versucht, weder mit Worten noch mit Gewalt.
Reine, rasende Wut hatte ihn erfasst und für nichts anderes mehr Platz gelassen, als er seine Beute aussaugte bis auf den letzten Tropfen. Dann ließ er den Körper fallen wie Müll, was er auch war. Der Gedanke, was Gabrielle hätte zustoßen können, wenn sie den Rogues in die Hände gefallen wäre, weckte aufs Neue seinen rasenden Zorn. Er wollte den Menschen in Stücke reißen – und beinahe hatte er das, wie er sich eingestehen musste. Nur ungern erinnerte er sich an sein
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