Geliebte der Nacht
ließ den Motor des Maybachs an.
„Keine gute Idee, die hier zu lassen“, sagte er und ließ ihre Handtasche und ihre Kameratasche in ihren Schoß gleiten.
Gabrielle starrte ihn an. Das Cockpit des Fahrzeugs war unaufdringlich indirekt beleuchtet. „Du hast irgendeine Art von Bewusstseinskontrolle bei ihnen angewendet, das hast du bei mir auch schon versucht.“
„Ich habe deinen Freunden erklärt, dass sie heute Nacht nicht in deiner Wohnung waren.“
„Du hast ihre Erinnerung gelöscht?“
Er neigte den Kopf zu einem unbestimmten Nicken. „Sie werden sich an nichts erinnern, auch nicht daran, dass du gestern Nacht in Megans Wohnung warst, nachdem der Lakai dich angegriffen hatte. Ihr Geist ist nicht länger mit all diesen Dingen belastet.“
„Weißt du was, im Augenblick klingt das verdammt gut. Also, was meinst du, Lucan? Bin ich als Nächste dran? Du kannst mit dem Löschen direkt da anfangen, wo ich vor ein paar Wochen die schreckliche Entscheidung getroffen habe, in diesen Nachtclub zu gehen.“
Er begegnete ihrem Blick, aber sie hatte nicht das Gefühl, dass er Anstalten machte, in ihren Geist einzudringen. „Du bist nicht wie diese beiden Menschen, Gabrielle. Selbst wenn ich es wollte, könnte ich nichts von dem ändern, was dir widerfahren ist. Dein Geist ist stärker als die meisten. In vieler Hinsicht bist du … anders als die meisten Leute.“
„Juhu, ich bin ja so ein Glückskind.“
„Der beste Ort für dich ist jetzt bei uns, wo der Stamm dich als eine von uns beschützen wird. Wir haben ein gesichertes Quartier in der Stadt. Für den Anfang kannst du dort bleiben.“
Sie runzelte die Stirn. „Was, du bietest mir das vampirische Äquivalent des Zeugenschutzprogramms an?“
„Es ist mehr als das.“ Er drehte den Kopf und sah durch die Windschutzscheibe hinaus auf die Straße. „Und es ist der einzige Weg.“
Lucan gab Gas, und das schnittige schwarze Auto schoss mit einem leisen, seidigen Schnurren die schmale Straße entlang. Gabrielle klammerte sich an dem Ledersitz fest und wandte sich um, um zuzusehen, wie die Dunkelheit ihre Wohnung in der Willow Street allmählich verschluckte.
Als die Entfernung größer wurde, sah sie Megan und Ray als undeutliche Silhouetten, wie sie in seinen Mustang stiegen, um wegzufahren, ohne etwas zu bemerken. Gabrielle verspürte eine jähe Panik, am liebsten wäre sie aus dem Wagen gesprungen und zu ihnen zurückgerannt, zurück in ihr altes Leben.
Zu spät.
Das wusste sie.
Diese neue Realität hatte sie fest im Griff, und sie glaubte nicht, dass es ihr möglich war, jemals zurückzukehren – von hier aus ging es nur noch vorwärts. Sie kehrte der Heckscheibe den Rücken, sank tiefer in den butterweichen Ledersitz und starrte geradeaus, während Lucan scharf um die Kurve bog und sie in die tiefe Nacht hineinfuhr.
20
Gabrielle wusste nicht, wie lange sie gefahren waren oder auch nur in welche Richtung. Sie befanden sich noch immer in der Stadt, so viel konnte sie erkennen, aber die zahlreichen Kurven und Schleichwege, die Lucan nahm, hatten ihre Orientierung durcheinandergebracht. Sie starrte aus dem getönten Fenster der Limousine und bemerkte nur am Rande, dass sie endlich langsamer wurden. Vor ihnen lag ein umzäuntes, anscheinend sehr weitläufiges altes Anwesen.
Lucan bremste vor einem großen schwarzen Eisentor. Zwei dünne rote Lichtstrahlen nahmen sie ins Visier. Sie gingen von einem Paar kleiner Geräte aus, die beiderseits des Tors an dem Hochsicherheitszaun hingen. Gabrielle blinzelte, als das überraschend helle Licht sie ins Gesicht traf. Dann sah sie, wie das schwere Tor langsam zur Seite glitt.
„Das gehört euch?“, fragte sie – die ersten Worte, die sie an Lucan richtete, seit sie ihre Wohnung verlassen hatten. „Ich war schon mal hier. Ich habe ein Foto von diesem Tor gemacht.“
Sie fuhren durch die Öffnung und rollten eine lange, kurvige, von Bäumen gesäumte Auffahrt hinauf.
„Das Anwesen ist Teil unseres Quartiers. Es gehört dem Stamm.“
Offenbar zahlte es sich aus, Vampir zu sein. Trotz der Dunkelheit bemerkte Gabrielle, dass das gut gepflegte Grundstück nach altem Geldadel aussah, ebenso wie die kunstvoll gemeißelten Reliefs auf der hellen Fassade des Herrenhauses, dem sie sich nun näherten. Zwei Rotunden flankierten die schwarz lackierten Türen und das hohe Portal des Haupteingangs, über dem sich vier elegante Stockwerke erhoben.
In vielen der gewölbten Fenster schimmerte Licht, aber
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