Geliebte des Blitzes
seit zehn Minuten saß sie in dem Park, der rings um die psychiatrische Klinik angelegt war. Sie hatte geglaubt, man würde ihr mindestens eine Stunde lang ein bisschen Ruhe gönnen, bevor jemand vom britischen Geheimdienst kam.
Erwartungsgemäß war sie ziemlich in der Bredouille. Nach einer unangenehmen Konfrontation mit Paula hatte sie geduscht und einen Spaziergang unternommen, etwas Zeit für sich selbst gebraucht, bevor man über sie herfallen würde. Bestimmt würden sie den Leiter der Abteilung für Spezialagenten schicken.
Doch man ließ ihr zu wenig Zeit. Und das ärgerte sie so maßlos, dass sie nicht einmal aufschaute, um festzustellen, wer sie angesprochen hatte. »Wer will das wissen? «
»Eine Freundin von Wyatt Kennedy.«
Ruckartig hob sie den Kopf, zerrte sich dabei eine Sehne in ihrem Hals und starrte in die eisblauen Augen einer ungewöhnlich schönen Blondine. Nie zuvor hatte sie ein so bösartiges Lächeln gesehen.
»Okay, Ihre Miene sagt alles.« Und damit landete ein Stiefel der Blondine in Faiths Gesicht.
Sie fiel von der Parkbank, sprang auf und kümmerte sich nicht weiter um das Blut, das ihr aus der Nase floss. Über den brennenden Schmerz dagegen ließ sich nicht so leicht hinweggehen. »Verdammtes Biest!«
»Ach, herrje.« Die Stimme der Blondine triefte vor Sarkasmus. »Nun haben Sie mich ganz schrecklich beleidigt. « So blitzschnell schwang sie die Fäuste, dass es Faith nur knapp gelang zu parieren. »Übrigens heiße ich Annika. Aber ›Biest‹ passt auch ganz gut zu mir.«
Ja, das durfte Annika mit Fug und Recht behaupten.
»Sieh mal einer an«, spottete Faith. »Hast ein Händchen für das hier, was?«
»Klar.« Annika fletschte die Zähne. »Und gleich zwei davon!«
Faith ging in die Offensive und schlug ein paarmal zu. Doch sie richtete keinen ernsthaften Schaden an, und ihr enger Lederrock war dabei nicht allzu hilfreich. Annika hingegen bewegte sich so geschmeidig, als hätte sie den Nahkampf erfunden.
Trotzdem stand Faith ihre Frau und wehrte die meisten Attacken ihrer Gegnerin ab.
»Gar nicht so übel«, meinte Annika. »Aber ich strenge mich nicht besonders an. Und ich habe ein Geheimnis.«
Faith schnaufte verächtlich und tänzelte um sie herum. »Langweil mich nicht mit irgendeiner Waffe. Die nehme ich dir ab, bevor du blinzeln kannst.«
»Oh, bitte.« Annika verdrehte die Augen. »Wenn ich nahe genug an dir dran bin, um so was Langweiliges wie eine Pistole oder ein Messer zu benutzen, kann ich auch das hier einsetzen.« Und damit packte sie Faiths Unterarm, und die Welt explodierte in tausend Farben.
Nun, das war ein ziemlich harter Schlag für Faiths Ego.
Dann versank die Welt in barmherzigem Dunkel.
ERLEICHTERT SEUFZTE CREED AUF, als Wyatt im Jet einschlief. Während der ersten Flugstunden war der Kerl wie ein Verrückter umhergetigert und hatte unverständliches Zeug vor sich hingemurmelt. Mit seiner durchgeknallten Gefühlslage hatte er es dem Piloten verdammt schwergemacht, den Flieger unter Kontrolle zu behalten.
Creed fragte sich, ob Wyatt wusste, dass seine Energie stärker geworden war, zu einem wundervollen Talent mutiert, das sich erst vor kurzem entwickelt hatte. Womöglich musste er erst lernen, wie er es sinnvoll einsetzen konnte.
Zusammen mit Annika hatte Creed seinen Freund und Kollegen vor einer Kneipe in Yorkshire gefunden. Dort war Wyatt auf einem Felsblock gesessen und hatte in den Himmel gestarrt.
Nach allem, was Dev bei dem kurzen Telefonat erzählt hatte – neben unausgesprochenen, in der Leitung mitschwingenden Worten über Oz –, gab es Schwierigkeiten zwischen Wyatt und einer Agentin von jener mysteriösen dritten Spionageorganisation, über die ACRO in letzter Zeit versucht hatte, etwas herauszubekommen. Als Creed bald danach merkte, in welchem Zustand sich sein Kumpel befand, war er heilfroh gewesen, dass er Annika beauftragt hatte, Faith herzuschaffen.
Annika rief ihn an und berichtete, sie sei mit Faith bereits an Bord eines zweiten ACRO-Jets, der Kurs aufs Hauptquartier nahm. In diesem Moment erwachte Wyatt und stöhnte.
»Willst du drüber reden?«, fragte Creed.
Wyatt brachte seinen großen, schlanken Körper in sitzende Position. »Eh – ich …« Er seufzte wieder und
ließ den Kopf hängen. »In mir drin sieht’s ziemlich übel aus. Hab eine ganze Menge durchgemacht.«
»Annika hat Faith aufgespürt.«
»Gut, lief sicher prima zwischen den beiden«, meinte Wyatt und grinste voller Ironie.
»Dev muss mit
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