Geliebte des Blitzes
Angstfaktor ruiniert.
»Ganz egal, was die mit mir vorhaben – so schlimm wie das, was ich gerade durchmache, kann’s gar nicht werden.«
»Wirklich nicht? Ich glaube nämlich, man wird dich in einer Zelle anketten und Wyatt reinschicken. Irgendwie habe ich das Gefühl, er wird das in vollen Zügen genießen, dich zwischen seine Finger zu kriegen. Und diesmal nicht zum Vergnügen.«
Endlich zeigte Faith eine Reaktion. Sehr subtil, kaum merklich umschlossen ihre Finger die Coladose etwas fester. Immerhin. Also doch, die kleine englische Miss liebte Wyatt, den quicklebendigen, totgeglaubten Agenten.
Über Lautsprecher ertönte die Stimme des Piloten, der die Landung ankündigte, und Annika wartete, bis er wieder den Mund hielt, bevor sie nachhakte: »Du hast ihn verraten, nicht wahr? Nachdem du mit ihm geschlafen und sein kleines Herz gebrochen hast.«
In Faiths Hand verbog sich die Dose und verspritzte etwas Cola. »Einen Scheißdreck weißt du.«
»Immer schön cool bleiben, Fräulein.« Den Kopf in den Nacken gelegt, trank Annika ihre Cola zur Hälfte leer. Dann wischte sie ihren Mund mit dem Handrücken ab. »Natürlich verstehe ich das. Wir sind Agenten. Um eine Mission zu erfüllen, tun wir eben alles.«
»Wenn es dir also egal ist – warum warst du dann seinetwegen so sauer, als wir uns begegnet sind?«
»Obwohl sie mir die Philosophie ›Alles für den Job‹ jahrelang eingebläut haben – ich mag’s nicht, wenn meine Freunde über den Tisch gezogen werden.«
Faith nickte. Das schien sie zu verstehen. Sie warf ihre zerknüllte Coladose in den Abfalleimer. Dann musterte sie Annika nachdenklich. »Du bist es also, von der er erzählt hat«, murmelte sie nachdenklich. »Die in so einer Umgebung aufgewachsen ist.«
»Hat Wyatt etwa seine große Klappe aufgerissen?«
»Ja.«
Annika stöhnte. »Jetzt nehme ich’s zurück, was ich vorhin gesagt habe, von wegen ihn verraten. Wirst du mich jetzt mit indiskreten Fragen löchern? Wann ich zum ersten Mal jemanden getötet habe? Und wie das ist, zur Waffe erzogen zu werden?«
»Wie das ist, weiß ich genau«, erwiderte Faith leise, und in Annikas Magen begann es zu rumoren.
Die ganze Zeit hatte sie geglaubt, sie wäre einzigartig. Nicht besonders – was sie erlitten hatte, konnte man nicht für besonders halten. Aber sie hatte gehofft, kein einziges Kind wäre so grausam missbraucht worden wie sie selber.
»Wie alt warst du, Faith?«
»Acht. Und du?«
Annika spähte durch das Fenster zum Boden hinab, dem sie sich viel zu schnell näherten. Vielleicht hing das mit dem Adrenalin zusammen, denn das ließ ihr Herz gerade schneller schlagen. Warum, konnte sie nicht einmal sagen. Nur eins wusste sie – plötzlich empfand sie diese unheimlichen freundschaftlichen Gefühle für eine Frau, die sie doch gar nicht mochte.
Schließlich wandte sie sich wieder zu Faith. »Bei mir fing’s schon kurz nach meinem zweiten Geburtstag an.«
Zwischen ihnen hing eine fragile Waffenruhe in der Luft, wie Rauch, der sich langsam auflöste. »Meine Eltern kamen ums Leben«, erklärte Faith tonlos. »Und dann haben sie mich wegen meinen Fähigkeiten entführt. «
»Ja, mich auch.« Annika betrachtete ihre Füße. Ohne Faith anzuschauen, fragte sie: »Bist du wütend?«
»Wütend?« Weil Faiths Stimme ihre Überraschung verriet, hob Annika verwundert den Kopf.
»Warum? Die britische Regierung hat mich in ihre Obhut genommen, als ich nicht wusste, wohin ich sonst hätte gehen sollen. Keine Ahnung, was aus mir geworden wäre, hätte der britische Geheimdienst sich nicht um mich gekümmert. Bei dir ist es wahrscheinlich nicht so gut gelaufen.«
»Nicht ganz.« Und Troy rannte immer noch irgendwo da draußen herum, ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass er jetzt tot wäre, hätte Creed sich nicht eingemischt. Ob sie dieses Kapitel ihres Lebens wohl jemals abhaken können würde?
Schwankend landete der Jet auf dem Rollfeld. Sobald er das Tempo verlangsamte, sprang Annika auf und
hämmerte gegen die Tür. »Aufmachen, verdammt nochmal! « Sie musste hier raus, weg von der Frau, die das Bedürfnis weckte, Vertraulichkeiten auszutauschen, von guten alten Zeiten zu reden, die alles andere als gut gewesen waren.
Und sie brauchte Creed.
Sie war von sich selber überrascht. Zum ersten Mal riet ihr ein Instinkt, sich nicht an Dev zu wenden. Denn sie sehnte sich nach Creed.
Sie holte tief Luft. Also hatte sie ihre Wahl getroffen. Überglücklich begann sie zu
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