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Geliebte des Feuers

Geliebte des Feuers

Titel: Geliebte des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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nicht allzu weit danebenlag.«
    »Obwohl wir uns das letzte Mal auch geirrt haben.«
    »Es war der Leichnam«, erwiderte Miri. »Aus irgendeinem Grund hattest du eine starke Verbindung zu diesem Mann.«
    Zwanzig Minuten später stiegen sie an einer Haltestelle vor dem Huohahai aus, dem funkelnden See. Um sie herum drängten sich Touristen, machten Fotos und staunten über die dunkeltürkise Oberfläche, deren Farbe von einer derartigen Leuchtkraft war, dass Miri sie beinahe schmecken konnte, fruchtig und kühl. Der See war ziemlich groß und von Pinien und hohem Gras umringt. Nur den Einheimischen war es erlaubt, sich seinem Rand zu nähern, aber Miri sah einige unerschrockene Touristen, die versuchten, von der kleinen Mauer neben der Straße hinunterzuklettern.
    Als sie und Dean dorthin gingen, deutete sie auf das Wasser. »Sieh in die Mitte des Sees, Dean. Siehst du dieses gelbe Zeug? Sag mir, woran es dich erinnert.«
    Er brauchte eine Weile, aber als er es dann schließlich erkannte, stieß er einen Laut der Überraschung aus. Miri lächelte.
    »Ich sehe einen Drachen«, antwortete er.
    »Man nennt ihn den Lügenden Drachen«, erklärte Miri. »Er befindet sich etwa zwanzig Meter unter Wasser, und wenn der Wind von den Bergen auffrischt und die Oberfläche des Sees sich kräuselt, sieht es aus, als recke er sich. Wenn der Wind wirklich stark ist... warte.«
    Einige Minuten später fegte eine kräftige Bö über sie hinweg, der in rascher Folge noch andere Windstöße folgten, die die Oberfläche des Sees aufwühlten. In dem klaren Wasser sah es nun so aus, als würde der Drache den Kopf schütteln und mit seinem Schwanz ausschlagen. Es war eine sehr überzeugende Illusion, und wenn Miri nicht in letzter Zeit schon Bekanntschaft mit dem Fantastischen gemacht hätte, so hätte sie es zweifellos einer Laune der Natur zugeschoben, nicht mehr.
    Aber die Dinge hatten sich geändert.
    »Genau diesen Ort habe ich in meiner Vision gesehen«, sagte sie. »Das muss etwas zu bedeuten haben.«
    »Ja«, sagte er. »Ich habe diesen See auch gesehen, nur nicht mit dem Drachen. Die Jade ist zwar in der Nähe, aber ich weiß nicht, ob sie sich im Wasser befindet. Ich hoffe sehr, dass das nicht der Fall ist.«
    »Vielleicht darfst du heute Nacht schwimmen gehen, mein Hübscher.«
    »Ohne Schweiß kein Preis.«
    Sie fuhren mit dem Bus zu den neun einheimischen tibetischen Dörfern in dem Park. An den Grenzen zwischen Dorf und Wildnis standen hohe Pfosten mit rot-blau-gel- ben Flaggen, die wie gigantische Bänder aussahen und von Quasten in ähnlichen Farben herunterhingen, an denen sie munter flatterten. In der Nähe der Flüsse und des Wasserfalls waren Leinen gespannt, an denen ebenfalls Wimpel hingen, die in dem stetigen Wind ein entzückendes Schauspiel boten. Im Wasser drehten sich tibetische Gebetsmühlen in der Strömung. Es war zwar Sommer, aber die Luft war angenehm kühl. Miri fiel wieder ein, dass sie nicht allzu weit von den Gletschern entfernt waren.
    Sie führte Dean zu einem kleinen Haus, in dem Nahrungsmittel angeboten wurden, Bohnen, Getränke und kleine Snacks. Vor dem Haus stand eine alte Frau in einem marineblauen Kleid. Sie trug silberne Ohrringe, hatte klare helle Augen und ein hinreißendes Lächeln, mit dem sie Miri bedachte, als sie sie bemerkte.
    Es war nicht schwer, ein Zimmer zu bekommen; nur wenige Besucher wussten überhaupt, dass die Einheimischen so etwas vermieteten. Die Frau führte sie in das Obergeschoss ihres Hauses, zog einen Vorhang vor einem Durchgang weg und zeigte ihnen ein relativ sauberes Bett in einer kleinen Nische. Dann warf sie Dean einen anzüglichen Blick zu, nahm Miris Geld und verschwand.
    »Ich wusste, dass die Lady eine schmutzige Fantasie hat«, sagte Dean.
    »Sie kann aber unmöglich so schmutzig sein wie deine«, schoss Miri zurück.
    Den Rest des Tages verbrachten sie damit, die Gegend zu erkunden. Miri ging hinter Dean, der sich selbst einen Pfad durch die Wildnis bahnte, dem vibrierenden Ruf der Jade folgend. Sie kamen über Knüppeldämme, die durch Marschen und über kristallklare Flüsse hinwegführten, umwanderten Seen, die so blau waren, dass sie am liebsten hineingesprungen wären und die Farbe auf ihre Haut gemalt hätten. Sie erreichten den Pearl Shoal, einen Fluss, dessen Wasser wie Millionen von silbernen Perlen sprudelte. Später kamen sie zum Felsen der Quelle des Hängenden Dolches, von dem aus sie den Schwanensee überblicken konnten. Der Felsen ähnelte einem

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