Geliebte des Feuers
fast zu brennen schien. Die Dunkelheit flackerte vor ihren Augen. Wenn sie sie schloss, wurde es nur noch schlimmer. Ob sie gerade starb? Und sie fragte sich auch, warum sie nicht längst in der Rezeption angerufen und nach einem Arzt geschrien hatte.
Sie streckte die Hand zum Telefon aus und hatte den Hörer gerade ans Ohr gelegt, als das ganze Unbehagen, das Feuer, das ihre Haut versengte, schlagartig verschwand. Es war wie abgeschnitten. Das schien ein solcher Gegensatz zu sein, dass die Luft sich mit einem Mal auf ihrer Haut wie Eis anfühlte, so kalt wie das Wasser, unter dem sie eben noch gestanden hatte. Miri schnappte nach Luft, hielt den Atem an, hielt alles in ihrem Inneren ganz fest. Diesmal versuchte sie nicht, aufzustehen. Sie rührte sich nicht einmal. Sie nahm nichts mehr als selbstverständlich hin. Ihr Körper fühlte sich empfindlich an; die Hitze und die Übelkeit konnten zurückkehren. Miri lag ganz still da, mit geschlossenen Augen, und ließ sich in die Stille sinken. Erschöpft, verängstigt, atemlos.
Ihr Verstand schwebte davon. Sie schlief ein und träumte von Feuer, und aus den Flammen kroch ein Schatten: von ihrem Verstand zu ihrem Herzen, und saugte es aus, das Rot, ein Rot für die Liebe, ein Rot für den Tod.
Sie träumte, den Tod zu essen.
Als sie die Augen wieder aufschlug, war es in ihrem Zimmer dunkel. Das war irgendwie merkwürdig; sie erinnerte sich daran, dass sie die Lampen eingeschaltet hatte. Außerdem lag eine Decke über ihrem Körper. Das war zwar nicht ganz so merkwürdig, aber auch hier konnte sie sich nicht daran erinnern, sich zugedeckt zu haben.
Miri rollte sich auf die Seite. Die Uhr blinkte. Es war fast halb zehn.
Halb zehn? O Gott! Owen wird mich umbringen!
Die Luft war kühler als vorher; Miri zog die Decke mit, als sie vom Bett aufstand. Sie verhedderte sich darin und stolperte. Ihr Kopf fühlte sich gut an, kein Schmerz, kein Schwindel, kein unnatürliches Fieber, keine Worte auf ihren Lippen. Aber gerade als sie dabei war, ihr Gleichgewicht wiederzuerlangen, während sie zu ihren Koffern ging, um Kleidung herauszunehmen, hörte sie ein merkwürdiges Klicken. Ein scharfes, lautes, metallisches Klicken.
Miri erstarrte. Ihr Körper reagierte schneller als ihr Verstand, der einfach noch zu träge war. Aber als er schließlich einsetzte, erkannte sie das Klicken. Es war ein vollkommen unmögliches, ganz falsches Geräusch, eine Halluzination. Es war völlig ausgeschlossen ...
Sie drehte sich um. Zuerst konnte sie nichts sehen. In dem Zimmer waren zu viele Schatten, die vom Schein der hell erleuchteten Stadt vor dem großen Fenster herrührten. Aber dann richtete sie ihren Blick auf die dunkelste Ecke, auf den Stuhl am Tisch, und fokussierte ihn.
Sie sah einen Körper auf dem Stuhl sitzen. Beine, Torso, Arme. Ein Mann. Ein großer Mann.
Mit einer Waffe in der Hand.
Die Welt schien stillzustehen. Alles, ihr ganzes Leben verschwand, bis auf diesen einen Moment, diese Gestalt, die so reglos da saß. Und dann ...
»Dr. Lee«, sagte der Mann. »Welch eine Freude, Sie wiederzusehen.«
3
Es war schon das zweite Mal, dass Miri in die Mündung einer Waffe blickte. Das erste Mal hatte es sich ebenso befremdlich angefühlt. Damals war sie sechzehn, halbnackt und vollkommen überrumpelt gewesen. Zwanzig Jahre später wiederholte sich also das Muster. Mit dem Unterschied allerdings, dass Miri diesmal keineswegs bereit war zu sterben.
Sie lief zur Tür und ließ im Gehen die Decke fallen, weil sie sich davon behindert fühlte. Was ihr jedoch nicht weiterhalf. Der Mann erwischte sie nach wenigen Sekunden, und ihr kam es vor, als würde alles um sie herum dunkler werden, bis nur noch der Stahl existierte, der sich an ihren Hals presste, der Körper, der sich gegen ihren nackten Rücken drückte. Und dann war da noch ihr Herz, das wütend in der Brust hämmerte.
Er sagte kein Wort, stieß sie nur mit dem Bein an, eine schweigende Aufforderung, sich in Bewegung zu setzen. Miri widersetzte sich nicht. Aber in dem Augenblick, da der Druck der Waffe an ihrem Hals nachließ, wurde sie völlig schlaff und glitt wie ein Aal durch seine Arme. Der Mann erwischte sie, noch bevor sie den Boden berührte, packte sie unter der Achsel, am Haar. Aber Miri wehrte sich, schlug um sich, schrie, zielte mit ihren Fäusten auf seine Lenden, versuchte, ihm die Kniescheiben zu brechen, in seine Knöchel zu beißen ... sie unternahm alles, um sich von ihm zu befreien.
Er ließ sie jedoch
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