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Geliebte des Feuers

Geliebte des Feuers

Titel: Geliebte des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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ihr immer noch ein Rätsel. Er war tot, während sie lebte. Ebenso gestorben wie sie, mit einer Kugel in der Brust.
    Das Telefon klingelte. Es war Owen.
    »Ich habe mir deinen Vorschlag überlegt«, begann er ohne Förmlichkeiten. »Ich bin einverstanden. Tee klingt gut.«
    »Wundervoll.« Miri versuchte, fröhlicher zu wirken, als sie sich fühlte. »Bist du immer noch in der Universität?«
    »Selbstverständlich. Aber ich gehe bald. Es ist fast neunzehn Uhr, und ich habe immer noch nicht... aufgeräumt.«
    »Bind dir die rote Krawatte um«, schlug Miri vor. »Vielleicht sollte ich einfach hierbleiben«, fuhr sie dann leiser fort. »Wendy und du, ihr könntet euch doch einen schönen Abend machen. Und zumindest hättest du sie dann ganz für dich.«
    »Überhaupt nicht. Lassen wir die Gefühle einmal beiseite; das hier ist ein geschäftliches Treffen.«
    »Geschäfte sind nicht alles, Owen.«
    »Dann tu mir einfach den Gefallen. Du musst dabei sein. Ich bestehe darauf. Du bist mein Partner, Miri. Und die einzige Person, der ich traue.«
    »Du traust auch Wendy.«
    »Vielleicht vertraue ich ihr. Aber dieses Vertrauen muss sich erst noch bestätigen.«
    »Also gut. Ich komme. Wo treffen wir uns?«
    »In deinem Hotel. Im Labor haben die Wände Ohren, und ich will nicht riskieren, dass wir belauscht werden.«
    »Und der Jadestein? Wendy will ihn sicher sehen. Und die Leichname ebenfalls.«
    Owen zögerte. »Darum kümmere ich mich schon. Ich habe ... besondere Vorsichtsmaßnahmen im Sinn.«
    »Besondere Vorsichtsmaßnahmen?«
    »Intuition, meine Liebe. Seit du gegangen bist, habe ich ein sehr unbehagliches Gefühl.«
    »Wirklich?« Miri kribbelte es zwischen den Schulterblättern.
    »Ziemlich.« Er senkte die Stimme. »Ich trage den Jadestein im Augenblick bei mir. Der Safe des Labors ist nicht sicher, Miri.«
    »Himmel, Owen. Jemand könnte dich beschuldigen, den Stein stehlen zu wollen.«
    »Es ist besser, wenn ich ihn stehle, als wenn jemand anders das tut. Du weißt ja, wie schnell Artefakte in diesem Teil der Welt verschwinden. Es kommen einfach irgendwelche Leute von der Straße herein, entwenden die kostbarsten Gegenstände und verschwinden dann spurlos damit. Diese Diebstähle sind Insiderjobs, Miri, alle ohne Ausnahme, und ich weigere mich zuzulassen, dass diese Entdeckung ihren Brüdern auf den Schwarzmarkt folgt und von irgendeinem Idioten mit mehr Geld als Ehrgefühl gekauft wird.«
    »Gute Absichten werden dir nicht helfen, wenn Kevin das herausfindet.«
    Owen sagte nichts, und Miri respektierte sein Schweigen. Sie traute dem Safe zwar ebenfalls nicht, aber Owens Alternative dazu weckte auch nicht gerade ihr Vertrauen. Ganz abgesehen von dem rechtlichen Ärger war es keineswegs ein Hightechschutz, wenn man ein viertausend Jahre altes Artefakt so mit sich herumschleppte. Und Owen war auch nicht Bruce Lee.
    Aber es gibt keine andere Möglichkeit. Und wenn wir beide ein ungutes Gefühl haben ...
    »Ich hoffe, du bist darauf vorbereitet, nach Yushan zurückzukehren?«
    »Wir fahren morgen, nehme ich an?«
    »Vielleicht schon heute Nacht.«
    Miri hatte eigentlich nichts anderes erwartet. »Und Kevin?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Owen. »Wirklich, dieser Mann ist ein Scheißkerl.«
    Sie verabschiedeten sich, nachdem Owen sie noch einmal an ihr Treffen im Foyer um einundzwanzig Uhr erinnert hatte. Miri legte den Hörer auf die Gabel und ließ sich auf das Bett sinken. Sie starrte an die Decke und versuchte, nicht zu viel nachzudenken. Aber das Leben dieser weiblichen Mumie aus dem Labor verfolgte sie weiter. Warum hätte sie sich einem solchen Schmerz aussetzen sollen? Ritual? Religion? Keine der beiden Erklärungen war sonderlich tröstlich, aber nur weil sie durchaus einen Sinn ergaben. Menschen konnten sich und anderen im Namen der Religion unglaublich rätselhafte Dinge antun und taten das auch. Götter und Legenden.
    Jedenfalls musste das erst noch bewiesen werden, das war ein weiterer Makel an dieser Theorie; eine Gleichung mit fehlenden Größen. Eines Tages, davon war Miri überzeugt, an einem Tag in einer fernen Zukunft, würde wahrscheinlich eine andere Frau in einem anderen Bett liegen und auch über die Vergangenheit nachdenken, mit einem rätselhaften Hinweis in der Hand, würde Fragen träumen, grübeln. Vielleicht würde auch sie die Last dieser monumentalen Aufgabe auf sich fühlen, Halbwahrheiten und Mutmaßungen aufzudecken, schwache Schatten einer Vergangenheit, die nur für die Toten

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