Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geliebte des Feuers

Geliebte des Feuers

Titel: Geliebte des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
Vom Netzwerk:
bewusst, dass er sie immer wieder mit seinen fahlen, kalten Augen betrachtete. »Warum ist die Jade so wichtig? Und warum ich?«
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte Robert und hob die Spritze. Ein Tropfen Flüssigkeit quoll aus der Nadel. »Aber allmählich wünsche ich mir, ich wüsste es.«
    Er beugte sich vor. Das ist der Moment, dachte Miri. Du musst kämpfen. Als er ihr die Nadel gerade in den Arm jagen wollte, wand sie sich ein letztes Mal zur Seite, federte mit dem Oberkörper hoch und biss ihn mit aller Kraft in die Nase.
    Sie spürte den Knochen unter ihren Zähnen brechen, schmeckte Blut. Robert schrie nicht, aber er zuckte zurück. Die Spritze glitt ihm aus den Fingern und fiel in die Laken. Miri ließ ihn los, als sein Gewicht von ihr wich, rollte sich nackt zur Seite und hätte fast ein Rad geschlagen, als sie wie von Furien gehetzt versuchte, die Tür zu erreichen.
    Und plötzlich war Miri nicht mehr allein. Sie hörte eine Stimme vor der Tür, einen Mann, der schrie, einen wortlosen Schrei, fast ebenso verzweifelt wie der, der ihr in der Kehle stecken blieb. Sie würgte. Sie spürte Robert dicht hinter sich; er keuchte ebenfalls, und als sie die Tür erreichte, schrie sie erstickt auf, schrill und atemlos.
    Es gelang ihr, den Sicherungsriegel zurückzuschieben, bevor Robert ihr Haar packte und sie zu Boden riss. Sein Gesicht und seine Kleidung waren blutverschmiert, und die blassgrünen Augen glühten vor Wut. Der Schmerz dagegen schien ihm nicht das Geringste auszumachen.
    »Sie sind wirklich eine Nervensäge!«, zischte er. »Eine unsägliche Nervensäge, Dr. Lee.«
    »Ja.« Miri flüsterte. Sie gab auf, ergab sich in ihr Schicksal. »Mein Abgang sieht nicht besonders gut aus, stimmt’s?«
    Er antwortete nicht. Miri glaubte, auf der anderen Seite der Tür ihren Namen zu hören. Die Stimme, die ihn rief, kam ihr seltsam bekannt vor, aber sie konnte sie nicht sofort zuordnen. Sie bekam kaum Luft, Panik schnitt in ihr rasendes Herz, und als die Tür in ihren Angeln erzitterte - Miri glaubte, die gewaltigen Schläge in ihrer Brust zu spüren -, hörte sie ihren Namen erneut. Diesmal schrie sie eine Antwort, ohne zu bedenken, wer ihren Namen gerufen hatte. Sie schien nur darauf konzentriert, dass es ein anderes menschliches Wesen war, das ihr Leiden teilte.
    Robert trat zu. Miri gab dem Tritt nach, sackte zusammen, immer noch schreiend. Wieder hörte sie ihren Namen, immer und immer wieder, während ihr Möchtegernkidnapper unbehaglich auf die Tür blickte.
    Urplötzlich glitt die Stimme an ihren Platz, rastete ein. Sie wirkte tiefer und älter als die aus ihrer Traumwelt, aber der Tonfall war derselbe, die Intonation, die Schärfe. Der Klang stieg ihr in den Kopf, und ihr wurde fast schwarz vor Augen.
    Nein, dachte Miri. Neiiiin!
    Unmöglich ... Der Abend hatte ihr bereits mehrere Unmöglichkeiten beschert, aber diese Stimme, diese Stimme war nun wirklich vollkommen unmöglich. Der Besitzer dieser Stimme war seit zwanzig Jahren tot. Zwanzig Jahre, in denen er nur in ihren Träumen auferstanden war. Ihre Fantasie spielte ihr einen Streich, es war eine Sinnestäuschung, geboren aus Sehnsucht, Verzweiflung, Furcht und ...
    »Stehen Sie auf!«, zischte Robert.
    »Fick dich!«, rief Miri. Wieder erschütterte ein Schlag die Tür, wieder schrie jemand. »Der Bursche da draußen«, fuhr sie fort, »hat nicht vor zu verschwinden! Sie werden ihm wohl öffnen müssen.«
    »Ganz recht«, antwortete er. »Und ich möchte Sie aus dem Weg haben, wenn ich das tue.«
    Miri bewegte sich. Sie wollte, dass sich die Tür öffnete. Sie wollte sehen, wer sich auf der anderen Seite befand. Sie kroch zurück, schob sich an der Wand hoch, beobachtete Robert, als er neben der Tür in Position ging. Er hielt die Waffe in der Linken, gegen seinen Schenkel gedrückt.
    Tu es!, dachte sie. Er drehte den Griff und sprang zurück, als die Tür aufflog und mit solcher Wucht gegen die Wand prallte, dass sie einen Riss im Putz hinterließ. Ein Mann stürmte in den Raum. Der Flur hinter ihm war zu hell, als dass Miri sein Gesicht erkennen konnte. Aber sie sah einen gigantischen Roboter auf seinem T-Shirt und die Waffe in seiner Hand. Mit der er auf Robert zielte. Der nicht zurückwich, sondern seine Pistole ebenfalls erhoben hatte.
    »Runter damit!«, befahl der Neuankömmling, obwohl er Miri ansah, als er das sagte. Die nach dem ersten Wort nichts mehr hörte. Ihre Seele machte einen Satz aus der normalen Welt in eine, in der Frauen mit

Weitere Kostenlose Bücher