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Geliebte des Feuers

Geliebte des Feuers

Titel: Geliebte des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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atmete der Mann ruhig und gleichmäßig.
    Miri tauchte neben Dean auf, in Jeans und ein marineblaues Tanktop gekleidet. In der Hand hielt sie eine sehr lange Telefonschnur. Ihre Miene weckte viele Erinnerungen in Dean, während er beobachtete, wie sie die Schnur zusammenwickelte. Dabei blickte sie auf den Mann herab.
    »Er atmet noch«, stellte sie fest und warf einen kurzen Seitenblick auf Deans Brust. Er sah an sich herunter. Nichts. Keine Magie. Keine feurigen Ringe oder herumhüpfenden Kobolde. Nur das Hemd. Optimus Prime und das Logo von Autobot. Der Ausdruck »Mehr, als man auf den ersten Blick sieht« gewann eine ganz neue Bedeutung. Miri stieß einen erstickten Laut aus, riss ihren Blick los und richtete ihn auf Robert.
    »Die Blutung hat aufgehört«, sagte sie grimmig. »Das ist eher ungewöhnlich. Er wird sehr bald wieder aufwachen, stimmt’s?«
    »Vielleicht. Willst du ihn fesseln?«
    »Ja.« Nach kurzem Zögern bückte sie sich, schlang eine Schlinge der Schnur um den Hals des Mannes, zog sie fest und drehte ihn mit dem Gesicht zum Boden, damit sie sich auf ihn setzen konnte. Sie hielt die Schnur zwischen den Zähnen fest, während sie seine Arme zurückbog. Dean half ihr, die Handgelenke des Mannes auf seinem Rücken so zu binden, dass er sich selbst würgen würde, falls er versuchte, sich zu befreien. Er erinnerte sich daran, wie Miri diesen Knoten schon mit acht Jahren an einer Puppe geübt hatte. Mit vierzehn hatte sie ihn dann an einem Jungen auf dem Spielplatz ausprobiert, einem Schläger. Sie war ungestraft davongekommen, weil sie ein Mädchen war und der Junge sich zu sehr schämte, sie zu verpetzen.
    Sie sieht überhaupt nicht verändert aus, dachte er. Zwanzig Jahre, und ihr Gesicht sieht immer noch so aus wie an unserem letzten Tag. Bis auf ein paar Falten um die Augen.
    Er schob die Pistole in das Halfter und steckte die zweite Waffe in den Bund seiner Jeans, zog sein T-Shirt und die Jacke darüber und ließ Miri einen Augenblick allein, um einen feuchten Lappen aus dem Bad zu holen. Sie wartete neben der Tür auf ihn, als er herauskam.
    »Ich will wissen, was hier los ist«, erklärte sie.
    »Ich auch«, antwortete er und reichte ihr den Lappen. »Mach dir das Gesicht sauber, Baby. Du hast Blut am Mund.«
    Sie verzog das Gesicht und drängte sich an ihm vorbei ins Bad. Dort war es heller, und er sah ihr glänzendes schwarzes Haar, ihre honigfarbene Haut. Sie hatte eine Falte zwischen den Augen, und nach einer Weile bemerkte er, dass sie einfach nur dastand und ihn im Spiegel betrachtete.
    Sie sagte nichts. Sondern sah ihm nur in die Augen. Sie strahlte eine kühle Stärke aus, und ihr Blick verwandelte sich in das wilde, diamantene Glitzern, mit dem sie ihn vorhin zum ersten Mal angesehen hatte. Vielleicht hatte sie einen Schock gehabt und ihre Selbstbeherrschung nur vorgetäuscht.
    Dann zuckte sie einmal krampfhaft zusammen, als würde sie aus einem Traum gerissen. Dean streckte die Hände aus. Miri schüttelte den Kopf, trat zurück, legte mehr Abstand zwischen sie, bis sie gegen die Glastür der Dusche stieß. Mit der Hand stützte sie sich an der Marmorwand ab und schluckte.
    Er sah es schon kommen. Er klappte den Toilettendeckel hoch, als sie sich umdrehte, taumelte und ihre Schultern krampfhaft zuckten. Dann sank sie auf die Knie und würgte.
    In dieser Position verharrte sie eine Weile. Dean tränkte einen weiteren Waschlappen mit warmem Wasser und wrang ihn aus. Doch unmittelbar bevor er sie berührte, zögerte er. Er wusste nicht, was er tun sollte, wie weit er gehen konnte. Immerhin waren es zwanzig Jahre. Zwanzig Jahre, und jetzt das! Und dann noch diese brutale Szene von vorhin. Jesus! Was für eine vermasselte Nacht!
    Dean wechselte seine Vision, öffnete den Verstand, lauschte ihrem Lied. Ihr Faden war leicht und luftig, eine wundervolle Energie, die in seiner Seele vibrierte. Vollendete Harmonie, genauso wie er es in Erinnerung hatte. Er kannte Miris Gefühle besser als seine eigenen. Er hatte die letzten zwanzig Jahre damit verbracht, sich daran zu erinnern, sie in seinem Kopf lebendig zu halten.
    Lebendig. Sie lebte noch, nach all der Zeit. Und du wusstest es nicht. Es gab nur einen einzigen Menschen auf der Welt, den du unbedingt finden musstest, und das konntest du nicht.
    Er untersuchte die Aura ihres Körpers. Sie hinterließ keine Spur. Ihre Energien bezogen sich ganz auf sie selbst. Genauso wie die des Mörders, den er jagte.
    Nein, dachte Dean. Das hatte Miri vorher

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