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Geliebte des Feuers

Geliebte des Feuers

Titel: Geliebte des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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du möchtest, dass ich ...« Er verstummte, hob die Hand, deutete auf seinen Kopf, während er die Finger bewegte.
    »Es würde dir nichts ausmachen?«
    Dean runzelte die Stirn. »Wann hätte ich mich je geweigert? Das ist mein Job, Bao bei.«
    »Und du vertraust mir immer noch?«, drängte sie weiter. »Selbst nach dieser langen Zeit?«
    Seine finstere Miene hellte sich auf, und die Andeutung eines Lächelns spielte um seine Lippen. »Ich habe dir immer vertraut, Baby. Schon als wir noch Kinder waren. Du warst die einzige Person, an die ich jemals geglaubt habe. Ich habe dir niemals etwas verheimlicht.«
    »Nichts«, murmelte sie, als sie sich erinnerte. »Nicht einmal dann, als unsere beiden Leben so schlimm -«
    »Die Kopfschmerzen«, sagte er ruhig. »Die Blindheit. Ich habe so oft die Schule versäumt, bis diese Sozialarbeiter schließlich eingeschaltet wurden. Arschlöcher, die meinen Onkel überredeten, mich zum Arzt zu schleppen. Was für ein Blödsinn. Sie haben alles nur noch schlimmer gemacht.«
    »Weil dir nichts fehlte.«
    »Genau. Die Entwicklung von Psi-Kräften steht nicht gerade auf der Liste der psychischen Erkrankungen.« Er schüttelte den Kopf, scharrte mit seinem Schuh auf dem Boden und lächelte grimmig. »Alle hielten mich für einen Lügner, für einen faulen Taugenichts, einen Dreckskerl. Alle, bis auf dich.«
    Miri zuckte mit den Schultern. Sie fühlte sich plötzlich ganz schüchtern. »Ich kannte die Wahrheit.«
    »Es war nicht nur das«, widersprach Dean. »Ich weiß noch, wie viel Druck dir diese Lehrer gemacht haben, damit du dich von mir fernhieltest. Sie meinten, ich sei Abschaum. Ich war zwölf, und sie haben mich abgeschrieben. Aber du hast dich immer für mich eingesetzt. Du hast für mich gekämpft. Himmel, Miri, du hast diese alten Ladys angebrüllt, als du dachtest, sie würden mich nicht richtig behandeln.«
    »Du warst mein Freund«, erwiderte sie. Trotz ihrer Bedenken erinnerte sie sich plötzlich mit herzzerreißender Klarheit an alle Einzelheiten. Acht Jahre lang hatte es zwei Anker in ihrem Leben gegeben, zwei Menschen, einen jungen und einen alten. Sie waren eine echte Familie für sie gewesen, hatten verhindert, dass sie kaputtging. Sie hätte alles getan, um das zu bewahren.
    Als sie in Deans Augen sah, fragte sie sich, ob sie gerade Gefahr lief, genau dasselbe Gefühl wieder zu entwickeln.
    Sie gingen los und schwiegen, bis das Gebäude der archäologischen Fakultät in Sicht kam. Es war schwierig zu erkennen, weil einige Laternen nicht richtig funktionierten, aber gegen die mitternächtliche Dunkelheit zeichneten sich die geraden Kanten des Gebäudes deutlich ab. Dean stieß ein merkwürdiges tiefes Grollen aus.
    »Es könnte gefährlich werden«, sagte er.
    »Ach, tatsächlich? Das hätte ich jetzt aber wirklich nicht gedacht.«
    »Willst du eine Pistole?«
    Miri blieb stehen. »Ob ich eine Waffe will? Was soll denn diese Frage? Du weißt doch, dass ich diese Schießprügel hasse.«
    »Nein«, erwiderte er. »Das weiß ich nicht. Früher hast du sie nicht ganz so entschieden abgelehnt.«
    Noch während er die letzten Worte aussprach, ging eine Veränderung mit ihm vor, mit seinem Blick. Miri wusste, dass er verstand. Sie standen unter einer Straßenlaterne. Sie zog den Halsausschnitt ihres Tanktops zur Seite. Dean beugte sich vor. Sein warmer Atem strich über ihre Haut. Eine Gänsehaut lief über Miris Arme, als er die gezackte Narbe über ihrem Herzen betrachtete.
    Sie beobachtete sein Gesicht, bemerkte den Widerhall eines schrecklichen Schmerzes in seinen Augen, eine so große Trauer, dass ihr der Atem stockte und ihr Herz ein bisschen schneller schlug. Seine Hand zuckte. Rasch zog sie das Tanktop über ihre Brust, bevor er sie berühren konnte.
    Dean blieb eine Weile stumm. Dann zog er das Bündchen seines eigenen T-Shirts herunter, sehr langsam. Das Hemd war alt, und der Stoff dehnte sich leicht. Miri sah die dünne Goldkette um seinen Hals, ignorierte sie jedoch und bemerkte die Narbe, ein Spiegelbild ihrer eigenen: ein zerfranster Kreis, eine schattige Mulde. Sie dachte an die Kugel, die ihn in jener Nacht vor zwanzig Jahren getroffen hatte, an die, die ihn heute hätte töten müssen.
    Schlimme Erinnerungen. Sie berührte die Narbe. Dean sog vernehmlich die Luft ein, rührte sich jedoch nicht. Er hielt vollkommen still, als sie mit einer unwirklichen, fast morbiden Neugier die Narbe erforschte. Unter der Wunde sah sie noch etwas und zog den Kragen etwas

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