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Geliebte des Feuers

Geliebte des Feuers

Titel: Geliebte des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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gekleidet. Er stand nur einen Steinwurf von ihnen entfernt. Alles war ganz normal, nichts, wovor man Angst haben musste. Doch als Miri ihn sah, krampfte sich vor Schreck ihr Magen zusammen. Sie konnte sich diese Furcht nicht erklären und zog an Deans Hand.
    »Was ist?«, flüsterte er. Sie deutete auf den Mann.
    Da war er schon weg. Miri starrte auf die Stelle, an der er gestanden hatte, drehte sich um und suchte. Sie fand keine Spur von ihm.
    »Jemand war hier«, erklärte sie. Dean schwieg und ging schneller.
    Die großen Glastüren der archäologischen Fakultät waren unverschlossen. Die Hallen und Flure in dem Gebäude wirkten verlassen, es herrschte Totenstille. Einige Lichter hatte man bereits gelöscht, und Miris Brust zog sich zusammen, als sie die Dunkelheit bemerkte, die Schatten. Sie kündeten von Gefahr.
    Das ist verrückt. Du solltest weglaufen und die Polizei rufen.
    Und dann? Sollte sie sich mit Bürokraten einlassen, sich Befragungen von Leuten stellen, die Owen nicht schnell genug helfen konnten, oder schlimmer, ihr gar nicht glauben würden? Außerdem wären die Behörden sicher noch früh genug hinter ihr her, bei all dem Blut in ihrem Hotelzimmer und dem gefesselten Mann. Falls dieser Robert überhaupt so lange dort blieb, bis ihn das Hotelmanagement fand. Irgendwie bezweifelte sie das, schon wegen der Männer, die aus dem Aufzug gekommen waren, nachdem Dean und sie das Zimmer verlassen hatten.
    »Woher wusstest du, dass noch andere Männer im Foyer des Hotels auf mich warteten?«, fragte sie, als sie Dean durch einen langen Korridor zu einer schmalen Treppe führte. In der Nähe befanden sich die Toiletten; es roch, als hätten die ai-yi sie schon seit Tagen nicht mehr sauber gemacht.
    Dean zögerte, dann zog er ein Foto aus der Tasche. Es war eine Nahaufnahme von ihrem Gesicht. Und auf der Rückseite klebte ein Zettel mit einem Namen und einer Adresse. Es waren ihr Name und ihre Zimmernummer im Far Eastern Hotel.
    »Woher hast du das?« Sie wusste nicht, wann das Foto aufgenommen worden war, aber es war klar, dass es nicht hier in Taipeh gewesen sein konnte. Irgendjemand war ihr bis nach Hause, bis nach Palo Alto gefolgt.
    »Ich habe einen Mord untersucht.« Aufmerksam betrachtete Dean ihr Gesicht. »Das da habe ich bei dem letzten Opfer gefunden. Heute Abend. Ich bin sofort zum Hotel zurückgegangen. Und ebenfalls dort abgestiegen. Nur ein Stockwerk von deinem entfernt.«
    Ein Stockwerk. Nur eine Etage hatte sie getrennt. Was für eine bittere Ironie. Was für ein absurder Gedanke. Wenn es stimmte.
    Aber als sie ihn ansah, seinen aufrichtigen, schmerzlichen Blick bemerkte, brachte sie es nicht fertig, ihn einen Lügner zu nennen. Sie glaubte ihm, auch wenn es falsch sein mochte. Doch sie konnte nicht anders. Es war wie Atmen oder Essen; ihm zu vertrauen fühlte sich so natürlich an, dass es sie entweder umbringen oder sie für den Rest des Lebens stärken würde.
    »Du hast mich gefunden«, erklärte sie.
    »Ich habe dich gefunden«, bestätigte er. »Ich wünschte nur, es hätte nicht so lange gedauert.«
    Er wollte noch mehr sagen, zögerte aber. Miri griff unwillkürlich nach seiner Hand, zögerte dann aber ebenfalls. Doch Dean kam ihr auf halbem Weg entgegen und nahm mit seinen warmen Fingern ihre Hand, bevor sie sie wieder zurückziehen konnte.
    »Wenn ich keine Angst gehabt hätte, dich zu verlieren«, stieß er rasch hervor, »oder dich aus den Augen zu lassen, würde ich sagen, dass das hier die blödeste, schwachsinnigste Idee ist, von der ich je gehört habe. Ich sollte dich in irgendeinem Loch einsperren, während ich nach deinem Freund suche.«
    »Du warst schon immer ein Charmeur«, erwiderte Miri und zog ihn die Treppe herunter.
    Vorsichtig schlichen sie die Stufen hinab. Dean griff unter sein T-Shirt und zog Roberts Waffe. Er drückte sie an seinen Schenkel. Zwischen der Treppe und dem Labor gab es keine Möglichkeit, sich zu verstecken. Da lag nur eine offene Halle, von der Türen abgingen, die zu dem Labor führten, und von dort aus ging es weiter in Owens Büro. Aber sie begegneten niemandem. Es war sehr ruhig. Dean schien plötzlich in die Ferne zu starren; seine Augen glänzten starr, etwas, woran sich Miri erinnerte. Nur hatte er früher etwas mehr geschielt, wenn er das tat. Ob er die Anwendung seiner anderen Vision vor einem Spiegel geübt hatte?
    »Hier war einiges los«, sagte er. »Sehr viel sogar. Es ist schwer, ein spezielles Ereignis auszusortieren. Die Leute, die

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