Geliebte des Feuers
vollkommen überraschte und ihr absolut unpassend erschien. Aber Kevin hatte ihn ausgestoßen. Sein Stöhnen klang wie eine Mischung aus kindlichem Staunen und tödlicher Angst.
Miri griff nach der Jade, aber Kevin kam ihr zuvor. Sie erwischte seine Hand und grub ihre Fingernägel in seine Haut, während sie darum kämpften. Die spirituelle Bedeutung des Steins für Kevin und seine Auftraggeber interessierte sie nicht; sie dachte nur daran, dass sie den Stein vielleicht brauchte, um Owen sicher zurückzubekommen. Dieser Grund genügte ihr, um mit Krallen und Klauen darum zu kämpfen.
Sie hätte auch gewonnen, hätte Ku-Ku nicht einen schrillen Schrei ausgestoßen, der sie erschreckte. Kevin bog ihre Finger von dem Stein und drückte ihn sofort an seine Brust, als er sich von ihr herunterrollte. Miri machte Anstalten, ihn zu verfolgen, doch dann sah sie zu Dean hinüber.
Die beiden jungen Männer hatten ihm die Arme auf den Rücken gebogen und hielten sie fest. Ku-Ku kniete vor ihm und starrte auf seinen Oberkörper, der fast ganz nackt war. Hemd und Jacke waren bei dem Kampf zerrissen, so dass die Narben auf seiner Brust zu sehen waren.
Und die Schnittwunde, dieser merkwürdig gekrümmte Schnitt. Er glühte.
Das bildest du dir nur ein, sagte sich Miri, aber Kevin gab einen erstickten Schrei von sich, und Ku-Ku saß gebannt vor Dean auf dem Boden. Miri konnte den Blick ebenfalls nicht abwenden. Es sah aus, als würde sie durch ein kleines Fenster in eine Welt aus Feuer sehen. Es war wunderschön und gleichzeitig gespenstisch. Miri kroch näher. Deans Augen waren dunkel, er wirkte ziemlich unglücklich.
»Sie wurden gezeichnet«, flüsterte Kevin. Mehr sagte er nicht. Plötzlich roch Miri Rauch und Asche. Alle Farbe wich aus Kevins Gesicht. Er taumelte, starrte auf die Tür zum Labor und gab den beiden Männern, die Dean festhielten, einen scharfen Befehl. Sie ließen ihn los. Dean rappelte sich auf und trat sofort zu Miri. Seine Miene war furchteinflößend. Er wusste, was dieser Geruch bedeutete, das erkannte sie an seinem Blick.
»Wir sind zu spät«, stieß Kevin hervor. Die jungen Männer zogen Pistolen aus den Beuteln, die sie um ihre Taillen geschnallt hatten. Ku-Ku bewegte sich wie eine Tänzerin. Ihre Augen glichen zwei schmalen Schlitzen, die Pupillen waren hell und hart. Ihr Blick glitt zu dem langen Korridor neben ihnen: ein weiterer Fluchtweg, der zum Lieferanteneingang führte.
Dann hörte Miri ein schabendes Geräusch vor den Türen des Labors, ein merkwürdig hartes Schaben. Etwas kam die Treppe herunter. Es war groß, gewaltig, und erzeugte ein endloses Rumpeln, das immer noch lauter wurde, wie ein Lastwagenmotor, der in Schlangenhaut und Ketten eingepackt war.
Dean packte Miris Hand und zog sie zur Wand zurück, in den Gang zum Lieferanteneingang. Er hatte die Zähne zusammengebissen, sein Blick war eiskalt.
»Miri«, sagte er leise. »Lauf. Lauf los, und sieh dich nicht um.«
»Dean ...«
Sie kam nicht dazu, den Satz zu beenden. Die Tür flog auf, und schwarzer Rauch quoll wie Wasser in den Raum. Hitze schlug Miri ins Gesicht; ihr blieb die Luft weg, sie stolperte entsetzt zurück. Sie hörte einen Schrei, und irgendjemand eröffnete das Feuer auf den Rauch in der Tür.
Ku-Ku. Miri blickte über die Schulter zurück. Das schlanke Mädchen hielt die Waffe hoch, und ihre Zöpfe flogen, als sie sich so wutentbrannt wie eine Manga-Kriegerin auf den Eindringling stürzte. Sie pumpte Kugeln in ihn hinein, als feuere sie auf eine Zielscheibe. Die beiden jungen Männer flankierten sie, waren im Umgang mit Waffen aber offenbar nicht so erfahren. Miri hatte geglaubt, sie wüsste einiges über dieses Mädchen, doch jetzt kam es ihr vor, als sähe sie eine Fleisch gewordene Strawberry Shortcake auf einem Killerausflug.
Dann tauchte eine missgebildete Gestalt in dem Rauch auf; sie war weiß, so weiß wie Schnee, und größer als die Tür. Sie glaubte einen Hals zu erkennen, oder einen ausgestreckten Arm, und so langes Haar, dass es den Boden berührte. Im nächsten Augenblick tauchte Dean vor ihr auf, stieß sie, brüllte sie an; sie drehte sich herum und rannte los.
Dabei sah sie nicht zurück. Dean zog sie mit beängstigender Eile durch den Flur zum Ausgang. Eine Hitzewelle versengte ihr fast den Rücken, während sie einen Mann schreien hörte.
Nein, dachte sie. Das alles passiert gar nicht. Es war zu verrückt, zu vieles davon war schlicht unmöglich. All die Dinge in der Luft, im Wasser,
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