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Geliebte des Feuers

Geliebte des Feuers

Titel: Geliebte des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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schließlich.
    »Ich auch«, erwiderte er. Er hatte natürlich immer daran gedacht, dass sie schon alt gewesen war und inzwischen vielleicht gestorben wäre, aber es zu vermuten und es zu wissen, das war zweierlei.
    Miri wischte sich die Augen. »Sag mir, was in dieser Nacht passiert ist, Dean. Sag mir, warum du wirklich weggeblieben bist.«
    »Weil ich einen Mann umgebracht habe.« Es fiel ihm leichter, das zuzugeben, als es angesichts der Bedeutung dieser Worte hätte sein sollen. Mit sechzehn Jahren schon ein Mörder. Was für eine schreckliche Art, sein Leben wegzuwerfen. Er betrachtete Miris Gesicht, beobachtete ihre Reaktion. Sie lächelte traurig.
    »Das hatte ich mir schon gedacht«, antwortete sie. »Vielleicht nicht damals, aber vorhin im Wagen, als wir geredet haben.«
    Seine Eingeweide verkrampften sich. »Und was empfindest du jetzt?«
    »Ich wünschte, du hättest es nicht getan.«
    Dean legte die Mangoscheibe weg und trank einen Schluck Bier. »Schon als ich ihn gesehen hatte, wusste ich, was für eine Sorte Mensch er war, Miri. Ich wusste sofort, was er vorhatte, dass er nichts Gutes wollte. Ich kann dir nicht erklären, warum, aber ich wusste es. Und ich glaubte, ich könnte uns aus dieser Lage herausreden. Ich dachte, ich könnte ein Mal ein guter Junge sein.«
    »Es war nicht deine Schuld.«
    »Dieser Kerl war ein Psychopath. Wenn ich das Richtige getan hätte, rechtzeitig ...«
    Miri drückte seine Hand. »Du warst kein Killer.«
    Aber ich bin einer geworden, dachte er und wusste, dass Miri dasselbe glaubte. Er sah es an ihrem Blick. Und da lag noch etwas in ihren Augen. Schuldgefühle.
    »He«, flüsterte er. »He, Miri. Bao bei. Das war nicht deine Schuld.«
    »Du hast für mich getötet. Meinetwegen. Du hast nach ihm gesucht, um dich zu rächen.«
    »Es war nur gerecht. Es war die einzige Art von Gerechtigkeit, die ich dir geben konnte. Auch wenn es vielleicht falsch war. Ich weiß nicht. Ich bin kein Superman mit übermenschlicher Moral. Und ich bedaure es auch nicht. Das Einzige, was ich bedaure, ist, dass ich deshalb nicht mehr zu Ni-Ni zurückgekehrt bin, und zu dir.«
    Miri streichelte sein Gesicht, fuhr mit den Fingern über sein Kinn, seinen Hals hinab. Es fiel ihm schwer zu atmen, wenn sie ihn so berührte, wenn sie so nah war, ihre Augen dunkel und groß und so wissend.
    »Sag es mir«, forderte sie ihn auf. »Erzähl mir alles, was passiert ist.«
    »Ich habe ihn eingeholt«, flüsterte Dean. »Auf dem alten Müllplatz neben dem Markt. Ich habe geblutet wie ein Schwein, doch aus irgendeinem Grund hat mich das nicht beeinträchtigt. Aber das weißt du ja schon. Die Kugel hat mich nicht so verletzt, wie sie es eigentlich hätte tun sollen. Ich habe ihn also verfolgt, und er hinterließ ja auch eine deutliche Spur. Als ich ihn einholte, steckte er gerade unter einem Zaun. Er hörte mich nicht kommen. Ich packte ihn an den Beinen und zog ihn zurück. Er versuchte, auf mich zu schießen, zielte aber schlecht. Ich hatte mein Messer noch, das du mir zum Geburtstag geschenkt hattest. Ich habe es ihm in die Nieren gerammt, dann habe ich mir seine Waffe geschnappt und ... peng.«
    Dieser von Gras überwucherte Müllplatz, das Messer, das im Bund seiner Jeans gesteckt hatte und plötzlich wie durch Magie in seiner Hand lag. Verrückt vor Schmerz, blutend, aber es hieß »jetzt oder nie«. Denn der Mann hatte getötet, gemordet, hatte ihm Miri genommen, und es hatte Dean in jener Nacht nicht interessiert, was aus ihm wurde, weil dieser Mann ein Mörder war und Gott diesem Hundesohn gnädig sein mochte, denn Dean würde Himmel und Hölle und die ganze Welt in Bewegung setzen, damit er nie wieder jemandem etwas antun konnte.
    Er hatte auch dafür gesorgt. Und zwar endgültig. Für Miri.
    Lange schwieg sie. Bis sie schließlich so leise sprach, dass er sie kaum verstehen konnte. »Ich wäre mit dir gegangen. Hätte ich gewusst, dass du noch lebtest und wo du warst, ich wäre zu dir gekommen, Dean. Ich wäre dir gefolgt. Ich war dazu bereit.«
    »Du warst sechzehn«, erwiderte er.
    »So alt wie du.«
    »Ich habe dich für tot gehalten«, erklärte er. »Und ich war zu dumm, um zu deiner Großmutter zu gehen. Aber selbst wenn alles anders gewesen wäre, hätte ich dir das nicht angetan. Du warst gut in der Schule. Du hattest eine vielversprechende Zukunft. Außerdem hattest du große Träume.«
    »Ich hatte alle möglichen Träume. Wir haben doch immer darüber gesprochen, weißt du noch? Was wir mit

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