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Geliebte des Feuers

Geliebte des Feuers

Titel: Geliebte des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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erblassen lassen. Sie schloss die Augen und versank an einen anderen Ort, einen Platz aus Sand und Knochen, mit einer Plattform aus Stein, auf der sie sich wiederfand. Ihr war kalt, und sie war hungrig, während ihr Herz nach einem anderen rief.
    Dann öffnete sie die Augen. Der Wind wehte so stark, dass er ihr den Atem nahm. Sie hörte ein dumpfes Rauschen, das ihre Brust wie eine alte Trommel vibrieren ließ. Sie wand sich, aber was auch immer sie fesseln mochte, es hielt sie wie ein Schraubstock fest. Als sie die Augen weiter öffnete, blickte sie auf eine Brust. Eine sehr breite und außerordentlich weiche Brust, die ein Muster hatte, das sie an Schuppen erinnerte.
    Wie die einer Schlange.
    Oder eines Drachen.
    Dann wand sie sich noch ein wenig und sah Lichter unter sich dahingleiten. Viele Lichter. Eine Stadt. Es schien, als würde sie darüber hinwegsegeln.
    Es schien ihr, als flöge sie selbst.
    Miri schrie.
    »Still!«, befahl Bai Shen, aber Miri hatte zu viel Angst, um auf ihn zu hören. Sie wurde noch fester gepackt, und dann erlebte sie die schlimmste Achterbahnfahrt ihres Lebens, als die Kreatur fast senkrecht hinabsank, auf die Stadt zu. Sie fielen wie ein Stein, und Miri kniff die Augen fest zu, als ihr Magen und die Lunge in den Hals zu steigen schienen. Gerade hatte sie sich mit dem Tod abgefunden, weil ihr armer, zerbrechlicher kleiner Körper es nicht mehr ertragen zu können schien, als das Wesen den Sturzflug abfing, langsamer wurde und wie eine Feder hinabsank. Sie wurde losgelassen. Erneut schrie Miri auf; sie hatte keine Kraft mehr in den Beinen, landete auf einer harten Steinfläche, brach zusammen und weinte, während sie sich wie ein Baby auf dem Boden zusammenrollte.
    »Da sind wir«, murmelte Bai Shen.
    Miri glaubte, er redete mit ihr, und wollte losschreien, ihn anschreien, als sie eine andere Stimme hörte, eine leise, tiefe Stimme, bei der sich ihr Magen noch mehr zusammenkrampfte.
    »So schwach«, sagte diese fremde Stimme. »Ich kann einfach nicht begreifen, was sie in dir sehen. Ich kann mir nicht vorstellen, wieso du ein solches Interesse weckst, außer vielleicht durch deine Beziehung zu dem Buch.«
    Miri rollte sich herum. Das war ein Fehler, wie sich herausstellte.
    Zuerst sah sie den Schwanz. Der unmöglich zu übersehen war. Er war riesig, dick und muskulös und von einem grellen Weiß, das in den gedämpften Lichtern der Stadt perlmuttfarben schimmerte. Das geschwungene Rückgrat des Wesens war mit weichen Federn bedeckt, die bis zu einem muskulösen, gefurchten Oberkörper reichten, dessen Arme viel zu lang waren und in Klauen endeten. Gekrönt wurde das Ganze von einem Kopf, dessen bemerkenswertes Antlitz weit über ihr schwebte.
    »Ja«, sagte der Drache. »Danke.«
    Er kann Gedanken lesen, dachte Miri. Wenn er das konnte, vermochte Bai Shen das vielleicht auch, was erklären mochte, wieso es ihm gelungen war, in das sichere Haus einzudringen und den Geheimsafe zu finden. Allerdings bewies der Alarm, den er ausgelöst hatte, dass er nicht ganz so geschickt vorging.
    Miri warf einen Blick über die Schulter auf Bai Shen, der jetzt weniger Drache und mehr Mensch war. Er stand einige Schritte entfernt und wirkte irgendwie unsicher. Und ängstlich. Sie konnte seine Furcht schmecken und sah den
    Fehler, den dieser junge Mann machte. Keine Furcht: Das war der einzige Weg, eine solche Situation zu überleben, selbst wenn man gegen seine Eltern kämpfen musste. Zeig niemals Furcht.
    »Sehr gut«, flüsterte der Drache. »Mein Sohn, ich hoffe, du lauschst ihren Gedanken. Sie erteilt wertvolle Lektionen. «
    »Ich bin nicht hier, um zu lernen!«, fuhr Bai Shen hoch. »Ich habe diese Frau in der Hoffnung hergeschleppt, dass du diesmal auf mich hören wirst. Du, das Ding in meinem Vater, du willst das Buch. Nimm es! Sie hat die Jade, sie selbst ist ebenfalls da, das heißt, eine Hälfte ist bereits vollständig! Nimm sie, und lass meinen Vater frei. Such dir einen anderen Wirt. Bitte!«
    In den Augen des älteren Drachen glomm ein dunkles Licht. Miri betrachtete es mit dem Wissen, das sie aus ihren Gesprächen mit Dean und Koni gewonnen hatte. Es war ein Wurm, ein Parasit. Ein Wesen, das seinen Wirten den freien Willen nahm, das tötete, um Macht zu gewinnen. Mit anderen Worten: Es war böse.
    »Narr!«, zischte der Drache seinen Sohn an. »Es gibt kein Opfer auf dieser Welt, das mich dazu bringen könnte, diesen außergewöhnlichen Körper zu verlassen, keines - außer einem.«
    Bai

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